Drei gelbe Scheinwerfer im Hintergrund, ein Soldat stapft im Wuppertaler Theater am Engelsgarten hörbar im Kreis über die leere Bühne. Langsam nehmen die Zuschauer ihre Plätze ein, der Heimkehrer in Wolfgang Borcherts Nachkriegs-Stück „Draußen vor der Tür“, das, wie Borchert 1947 glaubt, „kein Theater spielt und kein Publikum sehen will“, stapft weiter. „Ein Mann kommt nach Deutschland“, das traumatische Spiel beginnt. Auch dieser Beckmann (Kevin Wilke) kommt zurück aus dem Grauen nach Deutschland, aber er kommt nicht nach Hause, er kommt nirgendwo hin. Aus dem Hintergrund quillt eine clowneske Schar, umkreist den Stapfenden, hält ihn gefangen, doch Beckmann springt in die Elbe. Gott (Flora Li im Rollstuhl) und der Tod (Nora Krom mit unzähligen Puppenkörpern behangen) diskutieren über den gerade abtreibenden Körper – die eine beklagt den Verlust des Glaubens ans Göttliche, der Tod schwingt sich zum neuen Heilsbringer auf. Bardia Rousta inszeniert diese erste Produktion des Inklusiven Schauspielstudios in Zusammenarbeit mit der Schauspielschule der Keller und in Kooperation mit Glanzstoff – Akademie der inklusiven Künste an der kleinen Wuppertaler Bühne, die gerade selbst unverschuldet in finanzielle Schieflage geraten ist und Unterstützung braucht. Beckmann hat auch kein Zuhause mehr, nach drei Jahren Abwesenheit liegt sein Kind tot unter den Trümmern, seine Frau hat einen anderen. Der Heimkehrer fühlt sich als Möbelstück.
Rettung für Beckmann kommt von der Elbe selbst (Yulia Yáñez Schmidt im Luftballon-Outfit), die zwar nach Fisch stinkt, aber langsam genug hat von den treibenden Leichen und weil der junge Beckmann noch nichts vom Leben hatte, spuckt der Fluss ihn ein Stück weiter unten (im Original ausgerechnet in Blankenese) wieder aus und so muss er zurück in die vergesslichen Kreise der Ja-Sager, hat als persönlichen Schatten den halluzinierten Anderen (Jack Rehfuss), auch Ja-Sager, Duckmäuser, der Ausbeutung mit Optimismus verleugnet, der immer da ist und dem dieser niemals entkommen könne. Bbeide tragen das gleiche Outfit mit Gasmaskenbrille (Kostüme: Silke Rekord), beide werden ständig umgarnt von der clownesken Schar, die mal den fetten Oberst in der immer warmen Stube oder den Direktor des Kabaretts geben, der zwar große Floskeln: „die Jugend nimmt Stellung zur Kunst“, aber kein künstlerisches Rückgrat hat. Nur das junge Mädchen (Hannah Holthaus), das den ausgespuckten Beckmann klatschnass am Ufer fand und ihn mit nach Hause nimmt, erzeugt dem Heimkehrer Hoffnungsschimmer. Doch auch sie hat noch einen weiteren versehrten Mann (Louis Dross) zu tragen.
Bardia Rousta choreografiert die bunte Schar wie einen wilden Kreisel um die tragische Figur, sein spielfreudiges Ensemble trägt die Tragödie mit Spielwitz und stillen Momenten, die traumatische nebelige Szenerie tut ihr Übriges. „Ich bin ein schlechter Scherz, den der Krieg gemacht“, ist einer von Borcherts Kernsätzen, der die Uraufführung seines Welterfolges nicht mehr erlebte. Beckmann trifft eine Niederlage nach der nächsten. Selbst das Mädchen, das mit ihm leben will, stirbt in seinen Armen. Kein Erwachen aus dem Alptraum, der längst Realität geworden ist. Ein Mann kommt nach Deutschland. Doch Gott ist tot, als ob er je für die einfachen Menschen existiert hätte. Und das macht das Stück, der Zeit entrückt, zeitlos.
„Draußen vor der Tür“ | R: Bardia Rousta | April-Aufführungen entfallen | Theater am Engelsgarten | 0202 563 76 66
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