Zwei programmatische Schwerpunkte lassen sich im Wuppertaler Von der Heydt-Museum auf Anhieb ausmachen. Da sind die „großen“, theatralisch inszenierten Ausstellungen, die eine Epoche oder einen Hauptvertreter der Klassischen Moderne behandeln – diese Ausstellungen, die auf der eigenen großartigen Sammlung aufbauen, sorgen für das „Image“ des Wuppertaler Museums – und dann, in der Von der Heydt-Kunsthalle in Barmen, die monographischen Ausstellungen zur jüngeren deutschen Kunst, überwiegend aus dem Bereich der Malerei. Im Von der Heydt-Museum ist derzeit deutsche und französische Kunst zur Zeit des Ersten Weltkriegs zu sehen (die Ausstellung „Menschenschlachthaus“) und in Barmen stellt die Kölner Malerin Sabine Moritz aus.
Dazwischen aber lässt sich von Zeit zu Zeit im Von der Heydt-Museum ein Sonderweg beobachten, der vergessene oder unbekannte – bereits verstorbene – Künstler aus der Mitte des 20. Jahrhunderts ins Gedächtnis ruft. Dazu gehört nun auch die Ausstellung mit Karl Kunz, der 1905 in Augsburg geboren wurde, nach dem Krieg für kurze Zeiten an der Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken unterrichtet hat und ab 1957 sein Atelier in Frankfurt/M. hatte, wo er 1971 gestorben ist. Es mag an seinem Beharren auf der Figur liegen, dass Karl Kunz, der vor dem Krieg in Deutschland sehr angesehen war, ab den 60er Jahren zunehmend in Vergessenheit geraten ist. Weder arbeitet er nach dem Krieg abstrakt oder informell gestisch, noch gegenstandsfrei wie die Avantgarde im Rheinland, noch trägt seine Figuration die existenziellen und ausschließlichen Züge, mit denen das Elend und die Zerrissenheit nach dem Krieg ausgedrückt wurde.
Der hervorragende Überblick im Von der Heydt-Museum lässt sehr schnell evident werden, wie sehr bei Kunz die Verwendung der Figur – zumeist der weibliche Akt – mit formalen Maßnahmen verknüpft war: dem Verfahren der bildnerischen Collage, das noch zu einer dichten Füllung der Bildfläche führt, einer „Vereinfachung“ der Körperdarstellung im Sinne eines Picasso etwa, wobei Kunz ganz gezielt Meisterwerke der Moderne zitiert. Das gelingt ihm virtuos; zumal in ihrer Buntfarbigkeit ist seine Malerei ausgesprochen attraktiv. Anfänglich orientiert er sich an der Zerlegung der Fläche im Kubismus, nach dem Krieg dann an der Farbigkeit und der seriellen Bewegtheit der Pop Art. Durchgehend aber ist der Surrealismus der bestimmende Modus seiner Malerei. Seine Figuren sind eingebunden in Raumstrukturen, seltener in Landschaften. Jedenfalls ist die menschliche Figur bei Karl Kunz nie vereinzelt, sie sucht nach Halt und verliert sich bisweilen in labyrinthischen Verschachtelungen. In seiner Malerei geht es ihm um ihr Dasein, um die Gleichzeitigkeit von Eros und Geborgenheit, das Verhältnis von Körperlichkeit und Geistigkeit – die Motive und Themen von Karl Kunz sind überzeitlich. Er greift auf Zeitstile zurück, aber er hat sich ihnen nie angebiedert. Folglich blieb es beim Einzelgängerischen, zu sehen nun in Wuppertal.
„Karl Kunz“ | bis 8.6. | Von der Heydt-Museum, Wuppertal | 0202 563 62 31
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