Ich heiße Mahmoud Wodayhi und komme aus dem Libanon. Ich wurde zwar in Syrien geboren, aber aufgewachsen bin ich in Tripoli. Das gab Probleme, als der Krieg in Syrien ausbrach. Die Syrer fragten sich, warum ist er nicht hier und kämpft mit uns, die schiitisch-libanesischen Hisbollah-Anhänger wurden misstrauisch, weil ich eine syrische ID habe und Sunnit bin. Keiner wollte mich anstellen. Im Libanon habe ich auch geheiratet – das macht mir in Wuppertal Probleme. Ich habe zwar die libanesische Heiratsurkunde wie auch den Antrag für die Anerkennung in Syrien, aber wegen des Krieges habe ich keine Chance, an die Papiere aus Syrien zu kommen, dort gelte ich noch als ledig.
Meine jüngere Tochter Maria wurde 2016 in Wuppertal geboren und trägt den Nachnamen meiner Frau. Ich möchte nicht, dass andere Kinder fragen, warum heißt deine Schwester nicht wie du? Bürokratie ist manchmal wirklich schlimm. Aber ich mag Wuppertal. Hier habe ich wieder so etwas wie ein Leben anfangen können. Das erste Mal fühlte ich mich sicher, als ich im November 2015 in Deutschland ankam und in das neu eröffnete Camp in Voerde zog. Und dann hatten wir das Glück, im Januar nach Wuppertal zu kommen.
Alles davor nenne ich immer den Todestrip. Im Libanon ist nicht so ein Krieg wie in Syrien, aber in meiner Straße wurde ständig gekämpft. Mit mittelschweren Waffen – ich hatte jeden Tag Angst um meine Frau und mein Kind. Als meine Frau wieder schwanger wurde, kam der Punkt, an dem ich mir sagte, ich möchte ein sicheres Leben für meine Familie. Ich habe angefangen, in Beirut zu arbeiten. Doch es war ein langer und gefährlicher Weg. Mein Chef riet mir, nicht nach Beirut zu ziehen, sondern ganz wegzugehen. Libanon sei auf einem raschen Abwärtsweg. Also beschlossen wir, dass unser Kind in einem sicheren Land geboren werden soll.
Wir haben alles verkauft und sind mit dem Schiff in die Türkei, aber auch da war es nicht sicher. Mit dem Gummiboot sind wir dann übers Meer zu einer griechischen Insel. Das war sehr riskant, doch wir dachten uns, das ist die 50/50-Chance auf ein Leben irgendwo. Von da ging es über die Balkanroute nach Österreich und Deutschland. Die Flucht dauerte 15 Tage. Ich hatte viel Glück in Wuppertal, viele Menschen haben mir geholfen, einfach so in ihrer Freizeit. Thomas, Michael, Jenny, Nica, Imke und Steffi – das sind Freunde. Eigentlich bin ich Innenausstatter/Dekorateur von Beruf, aber ich liebe Kaffee. Im Libanon bekommt man den überall, manche verkaufen ihn zu Fuß, manche mit Fahrrädern, Mopeds, Autos oder eben in einem Shop. Seit ich hier bin, habe ich so etwas nicht gefunden, und so kam ich schon nach ein paar Tagen auf die Idee, selbst arabischen Kaffee zu verkaufen.
Mit Imke zusammen plane ich gerade die Geschäftsgründung. Wir haben den ersten Test beim Restaurant Day am Arrenberg gemacht, mit dem „Unser Kahwa“-Pavillon. Neben Kaffee gab es auch Sahlab und Hubub, zwei andere Heißgetränke. Ich habe noch mehr Ideen. Ich möchte in allem, was ich verkaufen will, der Beste sein. Man soll sagen: „Arabischen Kaffee in Wuppertal? Da gehst du am besten zu Mahmoud.“
Mahmoud Wodayhi ist 35 Jahre alt und fühlt sich als Libanese. Er lebt mit seiner Familie in Wuppertal, wie auch seine Eltern. Er lernt Deutsch und möchte sich selbstständig machen. Dafür hat er auch den Entrepeneur-Workshop im Café Swane besucht.
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