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Ein tolles Duo: Schauspieler Gregor Henze und Sopranistin Dorothea Brandt
Foto: Uwe Stratmann

Wenn Poseidon das Mineralwasser schäumen lässt

31. Oktober 2013

Benjamin Prins inszeniert Dimitri Terzakis „Die Irrfahrten des Odysseus“ an einem Wuppertaler Gymnasium – Auftritt 11/13

Schon die Anreise ist für Ortsfremde eine Odyssee. Doch eine Performance für Instrumentalensemble, Tonband, Erzähler, Sopran und Laterna Magica-Bilder lockt. Also schnell verbotswidrig durch einen Wuppertaler Wald (das Navi fand es in Ordnung, und ich kannte keine Alternative) zum Carl-Fuhlrott-Gymnasium auf den Berg, im Hintergrund schimmert im Tal die alte Textilmetropole. So ist das eben, wenn eine Kommune ihr Theater abschafft und die Schauspielabteilung sich neue Räume suchen muss. Verwerflich ist das nicht, peinlich nur die Alternativlosigkeit. Aber Homers „Odyssee“ ist eins der ältesten Epen, die wir haben, und bewegt seit seiner Entstehung um 800 v. Chr. die Phantasie der Menschen, warum nicht auch die Gymnasiasten. Soweit so gut, neun weitere Schulen in Wuppertal werden folgen.

Aufgeführt wird das Irrfahrt-Musiktheater in der Aula des Gymnasiums, einer typischen, schmucklosen, in den 1970er Jahren betonisierten Architekturhalle, ein lichter Raum mit viel Platz zum Sitzen, merkwürdiger Deckenkonstruktion und dem dezenten Hinweis auf die Musikschule. Hier also soll es stattfinden, das Performative mit einem Sprecher, einer Sängerin und sechs Instrumenten. Hier sollen wir hören von der Suche eines Menschen zu sich selbst. Der griechische Komponist Dimitri Terzakis hat dafür ausgewählte Gesänge aus der „Odyssee“ vertont, dazu eine Sopranstimme komponiert und einem Erzähler den Text überantwortet. Uraufgeführt wurde das Stück „Die Irrfahrten des Odysseus“ 2011 in Chemnitz. Dazu sind Bilder 150 Jahre alter Darstellungen zentraler Szenen der Odyssee zu sehen, die von einer Laterna Magica projiziert werden, und die das Historische Museum Frankfurt zur Verfügung stellt.

Zu sehen ist erst einmal wenig, das Bühnenbild besteht aus zwei Podesten mit Kleidern und Tutus, ein paar Lampen stehen herum, das Instrumentalensemble wird von warmem Licht eingehüllt. Ein glänzend aufgelegter Gregor Henze stürmt die Bühne. Eher an eine Figur aus Büchners „Dantons Tod“ erinnernd, mit weitem schwarzem Mantel, rezitiert er die Reise des Odysseus, der schon einige Zeit seit Troja unterwegs ist und bald mit seinen Gefährten die Insel der Calypso erreicht hat. Henze liefert den Stoff expressiv, rast durch den Raum, gestikuliert, schleudert die weißen Manuskriptseiten von sich, während sich die Sopranistin Dorothea Brandt eher bedächtig durch die Reihen bewegt, hier am Mikro die weiße Nymphe, dort die böse Calypso singt und auch schauspielerisch überzeugt. Figuren- und Kleiderwechsel finden sichtbar auf den Podesten statt, immer bewundernd kommentiert von den anwesenden Mittelklässlern.

Die beiden Protagonisten bilden ein traumhaftes Duo, das Instrumentalensemble unter Eva Caspari ein überzeugendes Pendant. Sehr präzise interpretieren sie das Geschehen, intonieren Höhepunkte und Atmosphären mit barocken Zügen und lyrischen Paraphrasen, die manchmal an Filmmusik erinnern oder an die Begleitmusik alter Schwarzweißfilme. Einzig die Laterna Magica-Bilder versagen in der großen Aula. Warum die runden Tableaus nicht die gesamte Videowand ausfüllen, bleibt mir ein Rätsel, oder ist das dramaturgisch visuell so geplant? Jedenfalls können sie mit der schnöden Architektur der Aula nicht konkurrieren, die selbst schon fast ein echter Fantasiekiller ist. Disharmonisch auch ab und an die Lautsprecheranlage.

Dennoch geht es spektakulär weiter, Odysseus gerät in die Fänge des wilden Poseidon, Wasserflaschen klatschen aneinander, die Kohlensäure tut ihr Möglichstes, die ersten Reihen zu benetzen, die singende Säge im Orchester tut das, wozu sie gemacht ist. Dann entrollen Sprecher und Sopran das Manuskript, und Odysseus ist endlich der Heimat nah. Athene schickt Nebel, Regisseur Benjamin Prins lieber musikalisches Crescendo. Dorothea Brandt darf noch einmal die ganze Bandbreite ihrer schönen Stimme zeigen, Odysseus (Gregor Henze wieder unter Starkstrom) räumt unerkannt zu Hause unter den Freiern auf und muss anschließend Penelope die ganze Geschichte erzählen. „Ihr fiel kein Schlaf auf die Lider, bis er alles berichtet hatte“. An Schlaf war auch in Wuppertal nicht zu denken. Es war performatives Musiktheater, sauber inszeniert, gut gespielt, gesungen und berichtet. Es hätte nur eine bessere Location verdient.

„Die Irrfahrten des Odysseus“ I Fr 10.1. 19.30 Uhr I Ganztagsgymnasium Johannes-Rau, Wuppertal I 0202 563 76 66

PETER ORTMANN

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