Über die Motive für seine erste Produktion als Solist bezieht Benjamin Schaefer klar Stellung: „Ich bevorzuge es, gemeinsam mit anderen Musik zu machen, daher war die Aufnahme eines Soloalbums für mich künstlerisch nie reizvoll. Dann kam die Pandemie. Und der Krieg in Europa, das seit langem an Frieden gewöhnt ist. Und vor allem der Klimawandel als ultimatives Damoklesschwert. Aus diesem Gefühl der Ohnmacht heraus war es künstlerisch sinnvoll, nach Antworten auf die Frage zu suchen, was ein Einzelner tun kann. Also habe ich ein reines Klavieralbum aufgenommen. Keine Overdubs, keine Effekte, keine ausgefallenen Synthesizer, keine Vorbereitungen. Nur das Klavier, der DLF-Kammermusiksaal – und ich.“
Moorschutz statt Millionenpublikum
Zum März dieses Jahres hat der Jazzpianist sein erstes Soloalbum veröffentlicht, das er auf den Namen „Power“ taufte. In den Händen halten kann man es aber nicht. Denn die darauf enthaltenen zwölf Titel gibt es ausschließlich im hochauflösenden wav-Format zum Herunterladen im Internet, inklusive Cover. Laut Schaefer lohnen sich im digitalen Zeitalter andere Formen der Veröffentlichung für Musiker, die kein Millionenpublikum an sich ziehen, finanziell nicht mehr. Außerdem spare der Verzicht auf physische Tonträger Ressourcen und vermeide Müll aus Überproduktion. Und weiter: „Um unvermeidbare Emissionen aus Produktion und digitaler Nutzung zu kompensieren, gehen zehn Prozent der Verkaufserlöse als Spende an Moorschutzprojekte des BUND“.
Mit Stücken aus dieser Produktion und ein paar anderen, etwa „Maelstrom“ von der CD „Leaves Like Snow“, ist er jetzt auf die Insel gekommen. „Jet Stream“, „The Fountain“ oder „Heritage“ sind ausnahmslos durchkomponierte Werke, die wenig Raum für Improvisationen lassen und ganz jenseits von Eklektizismus auf tradierten Jazzstilen und -harmonien basieren. Er kombiniert sie zu einer individuellen Musiksprache. Komplex geht er mit Harmonien um: Akkorde bestehen aus alterierten Tönen, die chromatisch beziehungsweise diatonisch gerückt werden. Weit zurück in die Jazzgeschichte geht er beispielweise bei dem Stück „Mind Your Step“, in dem Boogie-Woogie, Blues und Rock kunstfertig verarbeitet sind. Viele Stücke bestehen aus mehreren musikalischen melodischen Linien beziehungsweise Themen und rhythmischen Veränderungen, die hin und wieder übergangslos aneinandergereiht sind, daher die Linienführung etwas brüchig anmutet. Dennoch zieht der mannigfaltige, teils komplexe Ideenreichtum, in seinen Bann.
Brillant verfremdet
Dabei präsentiert sich der seit letztem Jahr in Wuppertal wohnende Dozent für Jazz-Klavier an der Hochschule für Musik und Tanz als sensibler Pianist mit differenzierter Anschlagskultur und hohem virtuosen Vermögen. Zwischendurch schöpft er einmal die akustischen Fähigkeiten des Flügels voll aus, indem er stehend auf den Resonanzkörper klopft, Rhythmen entwickelt und die Saiten obertonreich mitschwinden lässt oder zupft.
Erst nach der Zugabe, der brillant verfremdete 1934 entstandene Standard „Blame It On My Youth“ aus der Feder des US-amerikanischen Pianisten und Komponisten Oscar Levant, ebbt der begeisterte Schlussapplaus ab.
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