Wir befinden uns im Luther-Jahr. Verschiedene Biografien versuchen, den Reformator und Akteur einer Umbruchzeit darzustellen. Von heute aus gesehen kann allerdings das Denken und Handeln des Herrn Doktor oftmals nicht anders als fremd und unbegreiflich erscheinen, 500 Jahre sind nicht zu überspringen. Das N.N. Theater Neue Volksbühne Köln sucht und findet einen anderen Zugang zu dem berühmten Mann und zeigt viele menschliche Aspekte. „Da muss man ganz klar sagen: Das Thema war nicht unsere erste Wahl“, erinnert sich Ensemblemitglied Irene Schwarz. „Als wir unsere Inszenierung ‚Brandner Kaspar‘ in einer Kirchengemeinde zeigten, passierte etwas Großartiges. Wir kamen in Kontakt mit der evangelischen Kirchengemeinde. Martin Engels beauftragte uns, ein Stück zu Luther zu schreiben.“ Besondere Vorgaben galt es nicht zu berücksichtigen. George Isherwood, ein Autor, mit dem die Theatergruppe gerne und oft zusammenarbeitet, wurde beauftragt – und schrieb. Und bis zur Premiere im Februar in der Johanneskirche in Düsseldorf hatte der Auftraggeber keinen blassen Schimmer, was es werden würde. „Es war absolut beachtlich, wie frei und uneingeschränkt Regisseur Gregor Höppner und wir arbeiten konnten“, erinnert die Schauspielerin sich. Mit „Luther“ tourt das Ensemble jetzt. Gezeigt wird ein Stück, das alles andere als eine theologische Diskussion ist. Denn die Mitglieder des Ensembles verstehen sich als Volksschauspieler. „Wir thronen nicht im Elfenbeinturm der Kultur, sondern sind immer sehr bildhaft.“ Über Martin Luther sollte nicht geurteilt werden, war er gut oder böse. „Wir zeigen ein Kaleidoskop und seinen Kampf mit sich und dem alten Weltbild. Und zeigen einen Menschen mit Macken – und schlimmen Verdauungsproblemen. Die sind verbrieft.“ Vor allem fürchtete er sich vor dem Teufel. Das Verhältnis von Glauben und Gott spielt natürlich eine Rolle, dazu werden Splitteraspekte als Zwischenspiele mit besonderen Texten gesetzt. „Ihr seid Zeit / Seid ihr gut / sind auch die Zeiten gut“ ist von Augustinus und ein Beispiel. „Wir zeigen den Weg eines Menschen in seiner Zeit“, sagt Irene Schwarz – und sehr musikalisch wird es auch.
Ebenfalls auf den Spuren eines Klassikers befindet sich das TalTonTheater. Zum letzten Mal wird der Schriftsteller Friedrich Schiller gezeigt, als er noch ein junger Stürmer und Dränger war. „Die Räuber“ heißt sein berühmtes Werk, das einen zeitlosen Konflikt thematisiert. Nämlich den zwischen Verstand und Gefühl einerseits, beides symbolisch auch als Verhältnismäßigkeit von Gesetz und Freiheit zu interpretieren. Im Zentrum stehen ungleiche Brüder: Brandschatzend zieht er durch die Lande, der Karl Moor mit seiner Räuberbande. Eigentlich will er seinem Räuberleben ade sagen, sich mit dem Vater versöhnen, auf dessen Burg leben. Aber das will der Vater nicht – auch weil Bruder Franz böse Intrigen schmiedet. „Die Räuber“ ist alles: Familiengeschichte und Thriller, Kammerspiel und große Erzählkunst. Und vor allem: sehenswert.
„Luther“ | Mi 24.5. 19 Uhr | Theater am Engelsgarten | 0202 563 76 66
„Die Räuber“ | Sa 27.5. 20 Uhr | TalTonTheater | 0202 247 98 60
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