Seit 2003 ist das Wuppertaler Jazzmeeting jeden Herbst ein fester Bestandteil des städtischen Musiklebens. Wird es seit elf Jahren vom Wuppertaler Verein Opensky veranstaltet, kooperiert er in diesem Jahr erstmals mit dem in Köln ansässigen Verein Multiphonics, der ebenfalls dort und in benachbarten Städten etwa zur gleichen Zeit ein Festival veranstaltet. Einer der zahlreichen Veranstaltungsorte ist diese Mal auch das ehemalige Schauspielhaus beziehungsweise das Pina Bausch Zentrum in spe, wo sich an zwei Abenden Formationen mit dem Schwerpunkt freie Improvisationen treffen. An einem Tag steht die Klarinette im Zentrum mit zwei Bands, die für einen für einen hörenswerten Abend sorgen.
Von Insel zu Insel
Den Anfang macht die niederländische Klarinettistin Fie Schouten mit ihren Kollegen Régis Huby an der Geige und Guus Janssen am Flügel. Zu ihrem Programm „Vostok Remote Islands“ ließ sie sich von dem halb literarischen, halb kartographischen Buch „Atlas der abgelegenen Inseln“ aus dem Jahr 2009 der deutschen Schriftstellerin Judith Schalansky inspirieren. Darin werden 50 Inseln beschrieben, auf denen laut Untertitel die Autorin „nie war und niemals sein werde“. Drei Abschnitte daraus rezitiert Schouten zwischen den musikalischen Vorträgen. Die kammermusikalischen Inselerkundungen basieren auf einer musikalischen Idee in Form eines Motivs, einer kleinen Melodie oder einer rhythmischen Struktur. Diese Vorgaben werden weiterverarbeitet, bis sich weitere Ideen entwickeln. Es sind vielschichtige Konversationen im Duo und Trio, bei denen ruhige und forsche Momente geschickt alternieren. Dabei changiert die frei tonale Musiksprache zwischen moderner Klassik (etwa der Dodekaphonie) und Jazzimprovisationen.
Spannend und komplex
Genauso intensiv und dicht spielen anschließend Marco Colonna (Bassklarinette) und Alexander Hawkins (Piano). Ihre ebenfalls neutönige Musik basiert auf Werke des US-amerikanischen Musikers Eric Dolphy (1928-1964). Der Holzblasinstrumentalist etablierte die Bassklarinette auf dem Gebiet des Jazz und gilt mit als Wegbereiter der Jazz-Avantgarde der 1960er Jahre. „Ein vollendeter Musiker (…) mit explodierender Expressivität und klarer, mutiger Vision“, würdigt ihn zu Recht der Jazz-Autor Hans-Jürgen Schaal. Auf den Titel „Dolphy Underlined“ hat das Duo dementsprechend sein Konzert getauft. Genauso wie Dolphys Kompositionen, die sich nicht in eine Schublade stecken lassen wegen ihrer kunstvollen Harmonik oder ihren großen Dimensionen interagieren auch Colonna und Hawkins mit einigen unvorhersehbaren Momenten. Sie haben etwas Eigenes aus Dolphys Oeuvre gemacht, die Werke bis ins Kleinste durchleuchtet, deren Gehalt zu einer neuen Musiksprache entwickelt, seien es fest strukturierte Themen- bzw. Motivköpfe, aus denen sich teils mächtige, ausgedehnte Improvisationen entwickeln. Eruptive Ausbrüche der Bassklarinette, die streckenweise überblasen wird, wieselflinke atonale Läufe seitens des Pianisten oder glockenähnliche wie perkussive Klangerzeugung mittels Präparation des Flügels sind einige der vielschichtigen Momente der spannenden, komplexen musikalischen Dialoge.
Das Publikum zeigt sich von den Darbietungen der beiden Formationen begeistert und applaudiert lang anhaltend.
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