engels: Hallo Maria, kannst du dich kurz vorstellen?
Maria Basel: Mein Name ist Maria Basel. Ich bin 30 Jahre alt, in der Ukraine geboren und mit 6 Jahren mit meiner Mutter nach Deutschland emigriert. Ich komme aus einer Musikerfamilie: Meine Eltern sind beide klassische Musiker. Meine Mutter ist Pianistin, mein Vater Cellist. Als ich fünf war, hatte ich die Wahl, ob ich Geige oder Klavier spielen möchte. Ich habe mich fürs Klavier entschieden und relativ früh den Kontakt zur Musik gefunden: Ich habe viele Jahre klassisches Klavier gespielt und an Wettbewerben teilgenommen. Mit 15 oder 16 habe ich angefangen, mich in anderen Genres umzuschauen und erste eigene Stücke und Texte zu schreiben. Nachdem ich in Essen mein Abi gemacht hatte, bin ich zum Studium nach Wuppertal gekommen. Hier habe ich Wirtschaftswissenschaften und Französisch studiert – also nichts mit Musik: Das war für mich zunächst der „sichere“ Weg.
Wie bist du dann zur Musik zurückgekommen?
Neben dem Studium habe ich weiterhin Musik gemacht. Ich bin dann auch nach Wuppertal gezogen und beschloss nach dem Studium, meinen vollen Fokus auf die Musik zu legen. Wuppertal ist der Ort, an dem alles so richtig losgegangen ist: Im Café Ada konnte ich meine ersten Erfahrungen im Bereich Jazz sammeln, habe mit einer Jazz-Band gespielt und das Genre für mich entdeckt. Dann lernte ich Christof Söhngen kennen, mit dem ich noch heute als Jazz-Duo auftrete. Im Jahr 2014 wurde ich Teil des Sommerloch-Teams, habe dort das Personalmanagement und die Gastronomie übernommen und bin erstmals so richtig in das Veranstaltungs-Kunst-Kultur-Universum eingetaucht.
Wie kommt es, dass du in der Wuppertaler Musikszene so vielfältig unterwegs bist?
Seit ich in Wuppertal bin, hat sich ganz viel ergeben, was meine musikalische Entwicklung in den verschiedenen Genres angeht, in denen ich mich bewege: In meinem Soloprojekt mache ich elektronische Popmusik. Ich schreibe und produziere meine Stücke seit ungefähr acht Jahren selber. Seit ca. zweieinhalb Jahren lege ich auch unter dem Namen RIA auf. Ich stand außerdem bereits mit meinen eigenen Kompositionen in „Underground IV“, einer Aufführung des Pina Bausch Ensembles, auf der Bühne oder arbeitete mit dem Opernchor der Wuppertaler Bühnen im Rahmen des Projektes „Sound of the City“. Ich versuche stets, genreübergreifend zu arbeiten und mich so weiterzuentwickeln.
Sind dabei deine Instrumente immer das Klavier bzw. das Keyboard und deine Stimme?
Bislang sind das Klavier oder der Synthesizer und meine Stimme meine Hauptinstrumente. Ich loope außerdem in manchen Stücken meine Stimme oder verändere sie mit verschiedenen Effekten. Ich habe aber auch vor kurzem angefangen, Gitarre zu lernen. Das ist aber definitiv noch in den Kinderschuhen.
Wie würdest du deinen Sound beschreiben?
Dadurch, dass meine Basis die klassische Musik ist, hört man auch gewisse klassische Momente aus meiner Musik raus. Aber alles in Allem ist es schon ein sehr elektronischer Sound. Es sind viele Balladen, eher in Moll gehalten, wobei ich in den letzten Jahren auch immer mehr angefangen habe, eigene Beats zu produzieren. Es ist elektronische Popmusik, die zum Teil sphärisch, melancholisch ist – zum Eintauchen, sich fallen lassen.
Du schreibst deine Lieder auf Englisch. Warum?
Ich versuche in meinen Texten oft, eine gewisse Metaphorik reinzubringen. Ich habe nie so richtig probiert, auf Deutsch zu schreiben. Ich glaube, ich mag es, dass man im Englischen – auch wenn es die meisten verstehen – nicht alles so direkt versteht, wie im Deutschen. Man hört einen Song auf Englisch einfach anders. Dadurch, dass ich meine Texte eher metaphorisch gestalte, fühle ich mich im Englischen wohler. So ist es vielleicht ganz spannend, dass man ein bisschen genauer hinhören sollte, worum es gehen könnte. In meinen Songs gibt es viel Interpretationsspielraum. Zum Teil handeln die Songs von Begegnungen aus meinem Leben, von Freundschaften, vergangenen Beziehungen oder der Familie, zum Teil sind es fiktive Geschichten.Ich finde, wenn ich meine Stücke spiele, ist es schon auf Englisch ein ziemlich krasses Sich-nackt-machen, etwas sehr Persönliches aus meiner Gedankenwelt und meinen Emotionen, das ich mit dem Publikum teile.
Deine erste Single „Lioness“ hast du im August veröffentlicht. Worum geht es darin?
In „Lioness“ geht es um die Stärke der Frau – die viele Herausforderungen zu meistern hat und darum, was das mit dieser Person macht: Wie sie durch die Herausforderungen gebrochen ist, wie sie so viel Kraft investieren musste, dass sie irgendwann nicht mehr viel davon hat. Es ist aber nicht alles negativ: Man geht trotzdem stark heraus. Die Löwin steht für die Kämpferin und Beschützerin.
Schwingt da auch ein feministisches Statement mit?
Ja, schon. Das Thema der Stärke der Frau ist allgegenwärtig. Auch im Musikvideo sind nur Frauen zu sehen. Weise Frauen, die Ruhe ausstrahlen. Es erzählt die Geschichte von zwei Protagonistinnen, gespielt von Ruth Amarante und mir, deren Weg durch viele Gegensätzlichkeiten und Herausforderungen geprägt ist. Es erzählt von der Beziehung dieser beiden Frauen. Außerdem sind acht Statistinnen zu sehen. Es steckt schon eine Frauen-Power-Aussage dahinter.
Inwiefern ist deine Musik politisch?
Eigentlich ist meine Musik nicht politisch. Sie ist persönlich. Ich schreibe über Erfahrungen und Begegnungen aus meinem Leben, über meine persönliche Gefühls- und Gedankenwelt.
Von welchem Gegensatz singst du in deiner neuen Single „Same but different“?
Thema des Songs ist die Spannung in menschlichen Beziehungen, die sich in Ähnlichkeit und Kontrast, gegenseitiger Inspiration und Anziehung, aber auch zerstörender Kraft ausprägen kann.
Hast du den Eindruck, dass du als Frau in der Musikbranche anders behandelt wirst als Männer?
Ich finde, man kann das nicht generalisieren, aber ich habe den Eindruck, dass man als Frau schon manchmal härter kämpfen muss, um ernstgenommen zu werden. Das betrifft natürlich nicht nur die Musikbranche, sondern viele Bereiche der Arbeitswelt. Line-ups werden immer noch von Männern dominiert, technisches Know How wird immer noch eher der Männerwelt zugeschrieben. Es ist gefühlt nach wie vor eine Ausnahme nicht „nur Sängerin“ zu sein, sondern seine Songs auch selbst zu schreiben, aufzunehmen und zu produzieren. Es braucht mehr starke weibliche Vorbilder. Mehr Frauen auf Bühnen führt zu mehr Frauen auf Bühnen.
In welchen Projekten bist du aktiv?
Aktuell investiere ich die meiste Zeit und Arbeit in mein gleichnamiges Soloprojekt. Ich bin da sozusagen meine eigene One-Man-Band. Ich versuche mit Händen, Füßen und meiner Stimme so viel wie möglich live durch Loops, Effekte und mein Keyboard umzusetzen. Dann bin ich auch Teil des Duos Basel & Söhngen mit Christof Söhngen, Jazz-Dozent für Gitarre an der Folkwang-Uni in Essen. Wir spielen seit ungefähr sechs Jahren zusammen als Duo und interpretieren Jazz-Standards in unserem eigenen Stil. Wir haben aber auch begonnen, eigene Stücke zu schreiben und würden damit auch gerne in Zukunft eine Platte machen. Außerdem lege ich unter dem Namen RIA auf. Das mache ich seit zweieinhalb Jahren. Da lege ich hauptsächlich House, aber auch Techno und entspanntere Bar-Musik auf.
Was machst du im LOCH?
2014 war ich im Sommerloch aktiv. Das war ein temporäres Kunst-/Kulturprojekt. Dann sind wir 2015 ins Haus der Jugend gezogen. Da es dann nicht mehr temporär war, haben wir uns umbenannt in LOCH. Ich habe hier zuletzt alles was die Gastronomie betrifft, Personalplanung, Bestellung von Getränken aber auch Künstlerbetreuung gemacht. Das ist aber leider gerade alles stillgelegt.
Welche Folgen hat Corona für das LOCH und für dich?
Eine Woche vor dem Lockdown haben wir noch das dreijährige Bestehen vom LOCH gefeiert. Seitdem war es wieder für ein paar Wochen geöffnet, aktuell mussten wir wieder schließen. Wir nutzen es momentan als Proberaum, Atelier und Coworking-Space für unser Team. In der Zeit, als das LOCH zu hatte, haben wir ein Online-Streaming Format, den LOCH-Funk ins Leben gerufen. Das soll es auch bald wieder geben. Für mich persönlich ist natürlich auch sehr viel ausgefallen: Konzerte, DJ-Gigs auf denen ich gespielt hätte. Es ist eine sehr seltsame, Kraft zehrende Zeit. Bei einem Livestream zu spielen, war auch nicht zu vergleichen mit einem Konzert vor Publikum – es fehlt einfach der Austausch, die Energie ist nicht dieselbe. Gleichzeitig hatte ich in den letzten Monaten aber auch mehr Zeit für andere Dinge, Zeit um mal in Ruhe in mich zu gehen, Strukturen und Routinen zu überdenken.
Sind weitere Veröffentlichungen von dir geplant?
Meine dritte Single „Wake Up Tired“ kommt Mitte Januar raus. Außerdem plane ich im Frühjahr 2021 meine EP zu releasen. Sie erscheint bei dem Indie-Label Listen Records aus Berlin, wo unter anderem auch Darjeeling, Tiflis Transit und CATT gesignt sind. Ich spiele ja schon einige Jahre live aber dieses Jahr haben sich viele Dinge ganz gut gefügt, sodass ich nun den ersten Schritt in die Musikindustrie gemacht habe. Bislang hatte ich mich immer selbst gemanagt und habe mich um Booking, Pressearbeit, etc. gekümmert. Meine Musik jetzt bei dem Label zu veröffentlichen, ist ein neuer, spannender Schritt für mich. Das hilft mir sehr und es ist schön, ein Team hinter mir zu haben.
Für die meisten Künstler sind veröffentlichte Projekte eine Art Visitenkarte um an Auftritte zu kommen. Wie hast du es geschafft, trotzdem schon viel live zu spielen?
Stimmt, bei mir ist es irgendwie andersherum. Wobei ich mit meinem Solo Projekt tatsächlich noch nicht so viel live gespielt habe. Ich bin einfach schon ein paar Jahre in der Wuppertaler Kunst- und Kulturszene und habe mich mit der Zeit ganz gut vernetzt. Man kennt sich, man arbeitet an verschiedenen Projekten zusammen und wird auch mal weiterempfohlen.
Welchen Eindruck hast du von der Wuppertaler Kunst- und Kulturszene und was bedeutet sie dir?
Ich finde Wuppertal ist unterbewertet. Es passiert sehr viel in dieser Stadt, ob im Bereich Jazz oder im Bereich Singer/Songwriter: Es gibt eine bunte Vielfalt von Musikern sowie Kunst- und Kulturschaffenden. Gleichzeitig fühlt es sich manchmal an wie eine kleine Familie. Die Stadt ist groß. Aber irgendwie auch nicht. Man unterstützt sich und man kennt sich. Es ist ein schöner Ort für mich, um Dinge auszuprobieren. Es gibt viele Kunst- und Kulturschaffende, aber es ist nicht so übersättigt wie zum Beispiel in Berlin. Hier ist es zwar kleiner. Aber es gibt eine fruchtbare Landschaft, um etwas erschaffen und zeigen zu können.
War die Entscheidung für die Musik rückblickend richtig?
Ich mache schon immer Musik, aber ich hatte ja zuerst beschlossen, etwas anderes, „sicheres“ zu studieren. Ich bin aber immer wieder zur Musik zurückgekommen und habe jedes Mal gemerkt, dass mir das, was ich mit der Musik erlebe – das Gefühl, das ich habe, wenn ich auf der Bühne stehe und ich die Songs, die ich mir ausgedacht habe, anderen Leuten zeige – dass dieses Gefühl mit nichts anderem vergleichbar ist: mit keinem anderen Job oder Hobby. Mit nichts, was ich jemals gemacht habe. Es ist ein Job, der sich nicht wie ein Job anfühlt, weil er so viel Spaß macht. Musik zu machen, Konzerte zu spielen und Menschen damit zu berühren ist erfüllend und wunderschön, sodass ich immer wieder merke, dass es der richtige Weg ist. Ich hoffe sehr, dass wir irgendwann wieder in eine Normalität zurückkehren können, in der genau das wieder möglich ist.
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