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Rebecca Beatrice Duopou
Foto: Michel Müller

Mein Leben als ehemalige Asylantin

26. Mai 2017

Rebecca Beatrice Duopou floh als Kind vor dem Bürgerkrieg – Heimat Wuppertal 06/17

Das erste, woran ich mich in Deutschland erinnern kann, ist meine Anmeldung im Kindergarten. Für mich war es eine sehr schöne Erfahrung, da ich weder einen Unterschied zwischen mir und den Kindern sah noch das Gefühl hatte, dass die Kinder einen Unterschied zwischen mir und ihnen sahen. Ich weiß noch, dass ich jedes Mal, als ich von meinen Eltern abgeholt wurde, weinte, weil ich es im Kindergarten geliebt habe. Ich wurde oft von meinem Vater mit dem Fahrrad abgeholt, da es Asylanten nicht gestattet war, ein Auto zu besitzen. Das war jedoch nur eine von sehr vielen Regeln, die man befolgen musste (wie ich heute realisiere).

An das erste Asylantenheim in dem wir lebten, erinnere ich mich nur schwach, aber ich weiß, dass es immer sehr viele Familien mit unterschiedlichen Nationalitäten gab und das Schönste die große Spielfläche, auf der man mit vielen Kinder spielen konnte, war. Ehrlich gesagt: Als Kind kann man sich immer mehr ans Spielen erinnern (oder möchte sich nur ans Spielen erinnern).

Wenn ich jetzt darüber nachdenke, lebt man als Asylant wie in einem offenen Gefängnis. Als Kind bekam ich nicht viel davon mit, doch heute weiß ich, dass wir wie Verbrecher kontrolliert wurden. Wer denkt, dass man als Asylant wie ein König lebt und alles auf einem Silbertablett serviert bekommt, der sollte sich mit dem Thema befassen und Menschen fragen, die es durchlebt haben, statt eigene Schlüsse zu ziehen!

Rebecca Beatrice Duopou
Zur Person
Rebecca Beatrice Duopou (28) wurde in Banjul in Gambia geboren. Da ihr Vater aus dem Kriegsland Liberia kommt, in dem 1989 ein achtjähriger Bürgerkrieg ausbrach, entschied er sich 1991 mit seinen Kindern nach Deutschland zu fliehen.


Zehn Jahre lang lebten wir in der ständigen Unsicherheit, ob wir in Deutschland bleiben durften. Einmal begannen wir sogar, Sachen nach Afrika zu schicken, weil wir glaubten, unsere Abschiebung stünde unmittelbar bevor. Erst nach langem Warten und Bangen, nach vielen Terminen bei Anwälten, beim Remscheider Ausländeramt und der liberianischen Botschaft bekam meine Familie 2001 dann den unbefristeten Aufenthaltstitel. Endlich konnten wir ein Stück weit wie „normale“ deutsche Bürger leben und das wichtigste, meinen Eltern fiel eine gigantische Last von den Schultern.

Ab diesem Zeitpunkt ging es für uns nur noch bergauf. 2006 zogen wir schließlich in ein Mehrfamilienhaus. Ein Jahr später bekamen wir den deutschen Pass. Mit 18 Jahren bekam ich meinen Führerschein und machte mein Abitur auf der Sophie-Scholl-Gesamtschule. Von 2012 bis 2017 studierte ich an der Heinrich-Heine-Universität Musikwissenschaften und Kunstgeschichte. Nun widme ich mich beruflich körperlich eingeschränkten Menschen. An meinen freien Tagen komponiere ich mit Freunden Musik, gehe zu einem Dancehall-Tanzkurs in Wuppertal, mache Kunst und reise viel.

Ich bin sehr froh, dass ich all diese Erfahrungen in Deutschland machen durfte und möchte nichts davon missen, denn im Endeffekt haben diese Erlebnisse mich zu der Person gemacht, die ich bin und mir gefällt, was aus mir geworden ist. In mir schlummert eine Stärke, die vielen Menschen fehlt. Mein Herz ist geöffnet für Fremdes, denn am Ende des Tages wird alles IMMER gut. Also an alle Menschen da draußen: Vergesst niemals, dass wir eins sind und solange wir (mehr) Liebe in unseren Herzen tragen als Angst, so wird die Welt auch immer aus (mehr) Liebe bestehen.

Rebecca Beatrice Duopou (MITARBEIT DAVID FLESCHEN)

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