Zunächst entert aber Käptn Blauschimmel die Bühne. Mit klarer, geistreicher Sprache und Songs, wie „Unkraut vergeht“ oder „Tanz der Mutanten“ kritisiert er gleichermaßen die Auswüchse des Kapitalismus wie die Gefahren genmanipulierten Gemüses. Seine gesellschaftskritischen Protestsongs garniert er mit sattem Synthie-Sound und Keyboard-Klimpern, während er seinen rotzigen Gesang ins Mikro drischt. Aber Käptn Blauschimmel kann auch lustig, indem er in einem anderen Song fordert: „Trink mit mir, noch ein Bier.“
Nachdem Käptn Blauschimmel das Publikum auf Betriebstemperatur gespielt hat, heizt das Stereo-Total-Duo die 150 Düsseldorfer mächtig ein und legt mit dem Opener „Pixelize me“ los. Mit musikalischem Mut stürzen sich die „alten Hasen des Musikgeschäfts“ François Cactus und Brezel Göring in den Abend. Ihr Klassiker „Ich bin der Stricherjunge“ kommt sehr tanzbar daher, „Miau, Miau“ erzählt von einer „wilden Katze“. Nicht weiter verwunderlich, wenn bei ihren Songs die Füße der Zuschauer die Bodenhaftung verlieren. Und auch die ironischen Anmoderationen sorgen für Stimmung. Mit charmantem französischem Akzent kündigt Françoise Cactus beispielsweise den Song „Ich will Blut sehen“ als „Death-Metal-Stück“ und „Vampirlied“ an.
Spagat zwischen Sein und Schein
Mit ihrem tannenwaldgrünen Blazer, ihrer rasengrünen sowie rosagepunkteten Krawatte und ihren mintgrünen Chucks, allesamt sich beißende Grüntöne, wirkt Françoise Cactus herrlich unprätentiös und unaufgeregt. Die wild durcheinander gewürfelte bunte Optik unterstreicht ihre Unkonventionalität - und nicht nur ihre, sondern auch die des Duos. Françoise Cactus Stil avanciert zum Sinnbild für viele Details, die auf den ersten Blick nicht zueinanderpassen, bei genauerer Betrachtung aber stimmig wirken. Dies nicht zuletzt, weil Stereo Total ihrem Art Musik zu machen über Jahre hinweg treu geblieben sind.
Ihre Lieder kommen mal auf Französisch „La musique automatique“, mal auf Deutsch „Exakt neutral“, auf Englisch „Push you feel good“ oder Spanisch „No Controlles“ daher. Vielsprachigkeit ist genauso Markenzeichen wie ihr markiger, sich nicht in Worte fassen lassender Musikstil. Unternimmt man dennoch den Versuch, ihre Musik zu beschreiben, landet man bei einer Melange aus französischem Chanson und Punkrock, unterlegt mit Synthie-Sounds, kombiniert mit knackigem Gesang.
Erfrischend anders
Bereits seit zwanzig Jahren bespielen und bespaßen sie ihr Publikum gleichermaßen. Auch wenn ihre Inhalte zunächst harmlos klingen, so gelingt Stereo Total auf dem zweiten Blick der Spagat zwischen Schein und Sein. Ihre lustig-absurden Wohlfühl-Texte kann man mitträllern und konsumieren. Man kann aber auch genauer hinhören und den gesellschaftskritischen Impetus des Duos entdecken. „Die Frau in der Musik“ ist so ein Stück. Mit klarer, ironischer und nuancierter Sprache kritisiert das Stück die oftmals mehr nach ihrem Aussehen als nach ihrem Können beurteilte Frau im Musikbusiness. Brezel Göring moderiert es mit „Frauen in der Musik stören immer“ an, um gleich zu relativieren: „Es tut mir leid, das ist der Text, nicht meine Meinung.“
„Was macht dein Liebesleben?“, fragt Françoise Cactus dann auch Martina, die sie auf die Bühne geholt hat. „Und dein Sexleben?“, setzt die Sängerin noch eins drauf, um mit ihr und Brezel Göring „Liebe zu dritt“ zu singen. Als Trio tingeln sie fortan durchs Scheinwerferlicht, wo es dann zu „Wir tanzen im Viereck“ noch einmal richtig voll wird. Die Konzertbesucher der vorderen Reihen tanzen getreu des Mottos „Ich tanz´ mit Dir, Du tanzst mit mir“ nach Aufforderung von Brezel Göring auf der Bühne weiter. Erfrischend anders ist das - und es macht jede Menge Spaß. Geistreich und mit feinen Zwischentönen verstehen Stereo Total es, ihr Publikum bestens zu unterhalten. Davon können auch die Düsseldorfer nach diesem Abend ein Lied singen.
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