In der Konzertreihe „Musiksalon“ präsentiert die Insel ernste Musik der Klassik bis zur Moderne. Dazu gehört außerdem, dass die Interpreten von ihrer Musik erzählen. Kurz vor der Sommerpause sind zwei Musikerinnen aus Köln angereist, die vier Werke im Gepäck haben. Damit demonstrieren sie eindrucksvoll ihre kammermusikalischen Fähigkeiten.
Gut, Schwamm über die verbalen Vorträge. Denn außer wenigen Sätzen, mit denen sie die Werke ankündigen, gibt es kein weiteres gesprochenes Wort. Hörenswert ist dafür das musikalische Vermögen von Geigerin Ayane Okabe und Pianistin Soyono Eguro. Beide sind 1996 in Japan auf die Welt und bereits im Vorschulalter mit ihren Instrumenten in Berührung gekommen. Beide haben in Tokyo angefangen zu studieren und ihr Masterstudium in Köln absolviert. Ist Okabe seit kurzem Mitglied des Gürzenich-Orchesters Köln, durchläuft Eguro ein weiteres Masterstudium im Fach Klavier-Kammermusik. Im Duo spielen sie seit 2020 zusammen.
Keine Wünsche offen
Man hört, dass sie sich seit Jahren kennen, denn sie harmonieren bestens miteinander. Auch beherrschen sie ihre Instrumente meisterhaft, selbst hochvirtuose Stellen kommen wie spielerisch von der Bühne. So erklingen Franz Schuberts Sonate für Violine und Klavier in A-Dur D 574 und Robert Schumanns zweite Sonate für Violine und Klavier in d-Moll Op. 121 fehlerfrei wie aus einem Guss. Der Notentext wird inklusive Vortragsbezeichnungen und Tempoangaben lupenrein vorgetragen. Auch die Zugabe als Dank für den lang anhaltenden Schlussapplaus – Schumanns eigentlich für Oboe und Klavier komponierte Romanze op. 94,2 mit der Bezeichnung „einfach, innig“ – lässt hinsichtlich Akkuratesse keine Wünsche offen. Doch es mangelt an einem emotionalen Zugang. Die den Werken innewohnende große Seele, das Schwärmen in Tönen kommt zu wenig zum Ausdruck.
Dagegen werden Erich Wolfgang Korngolds vier Stücke aus der Musik zu Shakespeares „Viel Lärmen um Nichts“ viel schlüssiger gespielt. Die Namen der vier Abschnitte „Mädchen im Brautgemach“, „Holzapfel und Schlehwein“, „Gartenszene“ sowie „Mummenschanz“ sind Programm. Sie werden perfekt gespielt und deren Inhalte musikalisch anschaulich dargestellt.
Anton Weberns Opus 7 ist ein Fall für sich. Die vier Stücke für Violine und Klavier, im Stil der autonomen Chromatik komponiert, schrieb er 1910 zu einer Zeit, in der er seinen Stil extrem verdichtete hin zur Reduzierung auf äußerste Kürze und sehr knappe Gesten. Wie kein Zweiter konnte er ab dieser Zeit große Geschichten mit nur wenigen Takten ausdrücken. Im vorliegenden Fall sind es nur 9 bis 24. Die Chromatik ist mitunter komplex verschachtelt. Extrem sind die Dynamiken vom so gut wie fast nicht mehr hörbaren Piano bis hin zum explosiven Forte, die Tempi sehr langsam beziehungsweise richtig geschwind. Das Changieren zwischen solchen Extremen geschieht oft abrupt.
Zwischen Extremen
Diese Technik fand seine Steigerung etwa in Weberns Klaviervariationen Opus 27 aus dem Jahr 1936, ein strenges Zwölftonstück mit originalem Zitat der Reihe am Anfang des zweiten Satzes und unter Verwendung einer Auswahl der insgesamt 48 Modi der Varianten als da sind Umkehrung (horizontale Spiegelung der Reihe), Krebs (vertikale Spiegelung der Reihe) und Krebsumkehrung (horizontale Spiegelung des Krebs) mit ihren jeweiligen zwölf Reihen elf Transformation. Auch Vortragsbezeichnungen wie Tonhöhen, Tempi und Dynamiken kommen ebenbürtig gleich oft vor. Dieses strenge Prinzip führte schließlich nach dem Zweiten Weltkrieg bei den „Darmstädter Ferienkursen“ zur „Seriellen Musik“. Opus 7 war eine experimentelle Vorwegnahme. Um dieses fragile, feine, auf jede Note und deren Artikulation Wert legende Konstrukt von großem emotionalem Gehalt plausibel und nachvollziehbar zu vermitteln, bedarf es nicht nur instrumentaltechnisch der Perfektion, sondern auch eines tief ausgeloteten mentalen Zugangs zum Notentext. Jede Note muss mustergültig sitzen. Andernfalls fällt die Musik wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Das geschieht an diesem Abend etwa gleich zu Beginn in den Takten sechs und sieben, in denen die sich wiederholenden 16tel-Noten der Geige es und cis nicht wie vorgeschrieben deutlich voneinander getrennt und mit Nachdruck, sondern manche von ihnen wie mit einem schüchtern-nervösen Bogenstrich geholpert daherkommen. Auch die „kaum hörbare“ 32tel-Geigenbewegung der über eine None Verteilten Töne gis und a am Schluss des dritten Satzes wirken nicht selbstsicher gespielt. Angestrengt werden die Sätze zwei und vier über die Bühne gebracht.
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