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Pop-Mythen

25. Januar 2018

Dubiose Projekte, ungewöhnliche Fährten – Kompakt Disk 02/18

Wie schön, es gibt noch Pop-Mythen und Geheimnisse, auch im Internetzeitalter! Das Projekt (nicht Band, weil nur ein halbes Jahr existent und inzwischen wieder aufgelöst) mit dem schönen Namen ******** (acht Sternchen, hoffentlich nicht verzählt) könnte aus Edinburgh kommen und aus Ailie Ormston und Ω (noch mehr Sonderzeichen …) bestehen. Letzterer gehört zu Edinburgh Leisure, aber unter dem Namen findet man nur eine Fitness-Kette im Internet. Erstere ist Künstlerin und arbeitet viel mit Musik. 2017 hat sie bereits ein Album unter dem Namen Passion Pusher veröffentlicht. „Temporarily Defunkt due to contract restraints“ ist über das Duo auf ihrer Seite zu lesen, wo man auch erahnen kann, dass man sich ursprünglich nach dem schottischen „dark, depressive Drink“ Guinness benannt hatte. Das Ganze erinnert auf dem ersten und einzigen Album „[The Drink]“ (und wieder Sonderzeichen ...) am ehesten an den Auftritt von Ina Copeland und Dean Blunt als Hype Williams. Tatsächlich sind die dissonanten Lo-Fi-Songs dem atmosphärisch gar nicht unähnlich, wenn auch eher analog als digital produziert. Tolle Platte jedenfalls (Domino). Auf „Stadt der Lieder“, dem vierten, u.a. mit Uwe Jahnke (Fehlfarben, S.Y.P.H.) eingespielten Album des Berliners Doc Schoko rumpelt es zwischen 60’s-Sound, Punk und zeitlos trockener Erdigkeit vollkommen unpathetisch zu Texten über Poesie und Präkariat. Ebenfalls sehr empfehlenswert (Staatsakt).

Nachdem das erste Album der belgischen Avantgardeband Aksak Maboul von 1977, das damals unveröffentlichte dritte Album und auch das einzige Album des zum größten Erfolg gewordenen Nebenprojekts The Honeymoon Killers wiederveröffentlicht wurden, fehlte nur noch das vielgesuchte „Un peu de l'âme des bandits“ von 1980. Dafür hatte Aksak-Chef Marc Hollander u.a. Fred Frith und Chris Cutler von Henry Cow bzw. Art Bears gewinnen können. Es hängt schon mit einem Fuß in der New- und No Wave, ist aber noch stärker dem avantgardistischen Jazz-Rock der Canterbury-Szene um u.a. seine beiden englischen Mitstreiter Frith und Cutler verpflichtet, fügt dem aber die auch im späteren Katalog von Marc Hollanders Label Crammed Disc stets präsenten folkloristischen Klänge aus aller Welt hinzu. Dass mittendrin auch Neutönerisches neben Punk steht, verwundert bei dieser klanglichen Wundertüte dann auch nicht mehr. Dem Album liegt ein aufwändiges Booklet und eine CD mit unveröffentlichten Studio- und Liveaufnahmen aus dieser Zeit bei (Crammed Disc).

Die waren seinerzeit schon ziemlich einzigartig: Die Deutsch-Amerikanische-Freundschaft wurde im Dunstkreis des Ratinger Hofs und der in Deutschland aufkommenden New Wave gegründet. Das erste instrumentale Album hing noch zwischen Industrial und Krautrock-Experimenten, doch schon mit „Die Kleinen und die Bösen“ und ihrem Erfolg in England setzten sie sich von den anderen deutschen New Wave-Bands ab. Mit den folgenden drei Alben von 1981 und 1982 etablierten sie als Duo einen harten, semi-elektronischen Sound mit provokanten Texten und einem Bühnenstyle, der Stilbildend werden sollte. „Das ist DAF“ ist die faszinierende, reich bebilderte autorisierte Biografie von Robert Görl und Gabi Delgado-Lopez. Widersprüche und die menschlichen Interferenzen bleiben darin ebenso stehen wie die eigene Mythologisierung. Ohne Mythos wäre Pop auch halb so spannend. Nur die mitunter entgleiste Rockismus-Schreibe der Autoren Miriam Spies und Rudi Esch ist nicht immer leicht zu ertragen (Schwarzkopf & Schwarzkopf).

Christian Meyer-Pröpstl

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