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Kurator Markus Heinzelmann, Professor für Museale Praxis an der Ruhr-Universität Bochum vor dem Gemälde „Helga Matura mit Verlobten“ von Gerhard Richter
Foto: Anne Orthen

„Auch die Sammler beeinflussen den Künstler“

26. Juli 2024

Kurator Markus Heinzelmann über die Ausstellung zu Gerhard Richter in Düsseldorf – Sammlung 08/24

Markus Heinzelmann, Professor für Museale Praxis an der Ruhr-Universität Bochum, kuratiert die Ausstellung „Gerhard Richter, Verborgene Schätze. Werke aus rheinischen Privatsammlungen“ im Düsseldorfer Museum Kunstpalast.

engels: Herr Heinzelmann, Gerhard Richter ist laut dem renommierten Ranking Kunstkompass der berühmteste Künstler der Gegenwart. Er gilt auch als einer der 500 reichsten Deutschen. Was hat das mit Kunst zu tun?

Markus Heinzelmann: Gerhard Richter ist ein sehr guter und sehr erfolgreicher Künstler, nun schon seit über 60 Jahren. Der Erfolg wirkt sich auf ganz unterschiedliche Weisen aus, und so funktionieren ja auch die Rankings: durch Ausstellungsbeteiligungen, durch Kataloge, durch Erwähnungen in Fachzeitschriften und wissenschaftlichen Katalogen. Das ergibt letztlich den Rang des Künstlers. Aber jedes Ranking hat seine eigene Methode. 

Wie endgültig ist das Oeuvre von Gerhard Richter?

Ja, das Oeuvre ist weitgehend abgeschlossen. Er hat im Jahr 2017 die letzten Gemälde gemalt. Wir zeigen in unserer Ausstellung zwei davon. Danach hat er keine Gemälde mehr angefertigt. Es gibt noch installative Arbeiten und noch aus diesem Jahr zum Beispiel zwei Druckgrafiken, die als Editionen erschienen sind. 

Was ist in seiner Ausstellung im Düsseldorfer Museum Kunstpalast zu sehen?

Es wird eine sehr umfangreiche Ausstellung. Der Anlass ist, dass wir Werke aus rheinischen Privatsammlungen zeigen wollen. Also kein Museums- oder öffentlicher Besitz. In der Ausstellung sind deshalb Arbeiten, die man sonst nur sehr selten zu sehen kriegt – wenn überhaupt. Wir zeigen über 120 Arbeiten von Gerhard Richter. Das beginnt mit dem Werkverzeichnis Nummer 15 aus dem Jahr 1964 und geht bis zu den letzten Gemälden aus dem Jahr 2017. Und obwohl wir das ursprünglich nicht angestrebt haben, ist doch so etwas wie eine Retrospektive entstanden, es ist tatsächlich ein Querschnitt durch das gesamte Werk und auch durch alle Gattungen. Es gibt also nicht nur Gemälde, sondern es werden auch Skulpturen, Fotografien, übermalte Fotografien oder Editionen zu sehen sein – also eine sehr vielfältige Ausstellung mit einem deutlichen Schwerpunkt auf der Malerei. 

Wieso eigentlich die Privatsammlungen? Ist das nur außergewöhnlich oder maximiert es auch die Werte?

Die privaten Sammlungen sind aus zwei Gründen interessant. Einmal werden die Werke, wie schon erwähnt, nicht so häufig öffentlich gezeigt wie Arbeiten aus einer klassischen Museumssammlung. Wir müssen das uns das hier wirklich so vorstellen, dass viele Arbeiten dabei sind, die normalerweise in einem Wohn- oder Schlaf- oder Arbeitszimmer hängen und für diese Ausstellung abgehängt werden müssen und dementsprechend auch nur selten gezeigt werden. Das zweite, das bei dieser Ausstellung aus rheinischem Privatbesitz so interessant ist, ist, dass wir hier etwas über das Umfeld lernen, in dem Gerhard Richter sich bewegt hat. Denn wir müssen mit der Vorstellung aufräumen, dass es auf der einen Seite einen Produzenten gibt und auf der anderen Seite mehr oder weniger passive Käufer. Tatsächlich ist es ja so, dass da eine starke Wechselwirkung besteht. Dass auch die Sammler den Künstler beeinflussen. Und das ist etwas, das die Ausstellung durchaus auch zeigt.

Sind auch Werke aus der Zeit von Richters Studium oder seiner Zeit in der DDR zu sehen?

Wir haben uns bei der Auswahl der Werke am Werkverzeichnis orientiert. Das Werkverzeichnis ist ja von Gerhard Richter selbst erstellt worden, und er hat dort die Arbeiten aufgenommen, die er zu seinem Oeuvre zählt. Alles, was dort nicht aufgenommen ist, gilt für ihn als vorläufig oder unzureichend. Wir haben aber zum Beispiel bei unseren Recherchen in Privatbesitz ein völlig unbekanntes Aktgemälde von 1961 gefunden, das er aber nicht in seinem Werkverzeichnis aufgenommen hat. Es wird deshalb auch nur im Katalog dokumentiert, ist aber nicht Teil der Ausstellung. 

Das Oevre ganz am Anfang: Gerhard Richter, Kuh, 1964, Öl auf Leinwand, Foto: Olaf Bergmann, Witten

Worin geht es in Gerhard Richters einzigem selbst gedrehten Künstlerfilm?

Der Film heißt „Volker Bradke“. Er ist entstanden für eine Ausstellung, mit der im Jahr 1966 der Umzug der Galerie Schmela in neue Räume gefeiert wurde. Da haben ganz unterschiedliche Künstler wie Joseph Beuys oder Sigmar Polke teilgenommen. Und jeder Künstler hatte nur genau einen Tag, um seine Werke in der Galerie auszustellen. Das dauerte sieben Tage lang und Gerhard Richter hat dort sowohl Gemälde von Volker Bradke als auch diesen Film gezeigt. Volker Bradke ist eine sehr interessante Figur in den 1960er-Jahren. Er ist ein Abiturient, der in der Düsseldorfer Künstlerszene bekannt ist, weil er ein Künstler-Partygänger ist, weil er Vernissagen besucht. Einerseits findet man es gut, mit was für einer Energie er sich in dieser Partyszene bewegt, und andererseits wird er belächelt, weil er eher als so eine Art Spießbürger gilt. Er trug damals so eine typische Kassengestell-Brille, die in dieser Zeit definitiv nicht als cool galt. Richter hat ihn gefilmt, so wie er in dieser Zeit auch malte. Also ist ein Film entstanden, der ein unscharfes Porträt von Volker Bradke zeigt. Es ist also ein filmisches Werk, das analog zu den Gemälden entstanden ist. 

Die Versicherungssummen für das Museum müssen ja eigentlich horrend sein, oder?

Die sind sicher hoch, aber das ist ja das Schöne für mich als Gastkurator, dass ich mich mit Geld bei dieser Ausstellung kaum beschäftigen muss. 

Letzte Frage – nicht ganz ernst gemeint: Hat ein Bild von Gerhard Richter mehr Wert als eine getragene Unterhose von Ronaldo?

Wer ist Ronaldo? 

Gerhard Richter: Verborgene Schätze. Werke aus rheinischen Privatsammlungen | 5.9.24 - 2.2.25 | Museum Kunstpalast, Düsseldorf | 0211 56 64 21 00

Interview: Peter Ortmann

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