Kunst zwischen Flair und Spektakulum zeigt das Museum Kunstpalast in Düsseldorf. Es ist eine visuelle Reise durch ein virtuelles Werkverzeichnis von Christo und Jeanne-Claude, die seit Ende der 1950er Jahre mit Kunstaktionen im öffentlichen Raum Aufmerksamkeit erregten. Vielleicht bleiben die monströsen Werke der Verhüllung von Arc de Triumphe und Berliner Reichstag im kollektiven Gedächtnis der Europäer hängen, vielleicht die unglaublichen Landart-Werke in Kalifornien bei den US-Amerikanern, mir werden die mit Schnee bedeckten verhüllten Bäume (wrapped trees, 1998) im Berower Park der Fondation Beyeler in Riehen nahe Basel in Erinnerung bleiben, nicht eigenständige Architektur, sondern Natur selbst mutierte dort zu sinnlichen Skulpturen in weißer Landschaft. Diesen tiefen Reiz haben die beiden Künstler selten erreicht. Gibt es einen inhaltlichen Unterschied zwischen den ersten Einpack-Orgien und dem eigenen VW-Käfer-Verhüllungs-Reenactment von 2014 im Museum? Christo und Jeanne-Claude teilen vielleicht die gleiche Problematik wie Lucio Fontana, dessen erster Stich in eine Leinwand ein kunsthistorisches Kleinod ist, die nächsten Messerstechereien aber nur Reflektionen wurden.
In den frühen 1960ern haben die beiden gut dokumentiert alles eingepackt was ihnen unter die Finger kamen, Illustrierte, Klamotten, Flaschen und Fahrräder, drapiert auf Kisten, Dachgepäckträgern, in Kinderwagen und an Wänden. Damals war das Avantgarde in Reinkultur, die eingepackte Bildzeitung von 2014 ist das beileibe nicht mehr. Sie ist nur noch eine schnöde Kunstmarkt-Aktie zum Broterwerb und für die Finanzierung von mächtigen Zeichen in der Landschaft. Denn der letzte wahnsinnige Traum der beiden blieb unerfüllt, die Mastaba in den arabischen Emiraten. Unvorstellbare 410 Tausend leere Ölfässer sollten den Pyramidenstumpf auf einem rechteckigen Grundriss bilden, höher als die Pyramiden, wahrscheinlich höher als der legendäre Turmbau zu Babel. In der NRW-Landeshauptstadt sieht man erst einmal und wunderschön die Entwicklung von den einstigen „Neuen Realisten“ bis hin zu den freundlichen Halbgöttern der Kunstszene, die die beiden waren.
Christo und Jeanne-Claude | bis 22.1.2023 | Museum Kunstpalast, Düsseldorf | 0211 56 64 21 00
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