Das Ausstellungsprogramm des Skulpturenparks Waldfrieden, das von Tony Cragg zusammengestellt und kuratiert wird, gehört zum Besten in der Region. Denn es entdeckt Positionen der internationalen Avantgarde-Skulptur wieder und zeigt sie mit ihren damaligen und heutigen Werken in mittlerweile drei Pavillons und im Landschaftsraum: in den vergangenen Jahren etwa von William Tucker, Anne & Patrick Poirier und Klaus Rinke. Und, jawohl, Rinkes Schau in zwei Pavillons des Skulpturenparks war um Klassen besser als seine Präsentation einige Jahre zuvor im Von der Heydt-Museum. Gemeinsam mit den Skulpturen von Tony Cragg, die prägnant über den Park verteilt sind, erfährt man in diesen Wechselausstellungen auch Weiteres zum Konzept des weltberühmten britischen, in Wuppertal ansässigen Bildhauers und dem Hintergrund seines Werkes: über seine Interessen in der Skulptur, seine Vorbilder und die Eigenheiten seines plastischen Vokabulars.
Ausgehend von Craggs Formensprache erscheint nun also die aktuelle Ausstellung von Eva Hild wenig überraschend. Solide gewiss, aber wenig überraschend. Stimmt nicht! Jede der Skulpturen von Eva Hild ist eine Überraschung. So klar und einfach die Skulpturen wirken, so komplex und in ihren Windungen raffiniert sind sie doch. Aber da ist nichts, was beunruhigen würde. Die Skulpturen im und vor dem Glaspavillon wirken ausgewogen. Sie werden ganz und gar von runden, weichen Formverläufen bestimmt, die dafür sorgen, dass alle Partien gleich wichtig sind, zumal sich die Skulpturen öffnen, den Blick nach innen und durch sie hindurch erlauben und dabei die Flächen wie ein Möbiusband umschlagen. Die Skulpturen schildern Fülle und Leere, die Gleichzeitigkeit von Innen und Außen, sie saugen die Luft auf und konservieren sie, ja, sie lassen den leeren Raum spürbar werden. Die Formensprache der Skulpturen von Eva Hild ist mit all dem gleichermaßen vertraut und fremdartig, sie hat zweifelsohne mit unserem Leben zu tun. Teils auf dem Boden, teils auf flachen Sockeln, erlauben sie dem Betrachter in sie hineinschauen und animieren ihn noch, sie zu umlaufen. Tatsächlich sehen sie mit jedem Schritt anders aus. Das Auge gleitet die geschwungenen Wände entlang. Die Oberflächen bestehen aus Aluminium oder gebranntem Steinzeug. Für die Präsentation im Außenraum arbeitet Eva Hild mittlerweile auch mit Bronze. Zugleich wirken die Skulpturen wie in Veränderung begriffen und darin geradezu liquid, ein bisschen wie Tusche, die man in Wasser geträufelt hat und die sich nun ausbreitet. Zur stabilen Präsenz tragen wiederum das tiefe Schwarz und das milchige Weiß bei, im Verzicht auf Buntfarben. Auch damit entschleunigt Hild das Sehen. Natürlich stellen sich Assoziationen zu Fauna und Flora ein, aber auch zu den raffiniert eleganten metallischen Oberflächen des Industriedesigns. Jedoch entwickelt sie ein weites Spektrum an Formulierungen, und keine Skulptur ist wie die andere.
Eva Hild wurde 1966 in Lidköping in Schweden geboren, sie hat in Göteborg an der Hogskolan för Design och Konsthandwerk studiert und lebt heute im südschwedischen Sparsör. Ihre Werke werden überwiegend in schwedischen Kunstinstituten und Galerien in Paris, New York und Hong Kong gezeigt. Der Blick auf die Liste der Skulpturen im öffentlichen Raum offenbart noch mehr internationale Anerkennung. Nur in Deutschland kennt man sie noch nicht: Diesmal also wird Tony Cragg zum Scout. Und dann, wenn man den Park weiter nach oben spaziert, hin zum neuen, dritten Pavillon, vorbei an den Skulpturen von Ctagg, Wilhelm Mundt, Thomas Virnich und William Tucker, dann begegnet man etwas abseits einer weiteren, bereits zum Bestand des Skulpturenparks gehörenden Skulptur von Eva Hild. In Schwarz, sich organisch nach allen Richtungen hin öffnend, wirkt sie nun wie eine große seltene Pflanze. Es scheint, als wäre sie als Teil der Natur schon immer hier gewesen.
Eva Hild – Entity | bis 27.1. | Skulpturenpark Waldfrieden | 0202 47 89 81 20
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