Selbstbewusst und souverän blickt der Künstler und Druckgrafiker Peter Schenck (1610-1711) aus seinem Selbstporträt in den Ausstellungsraum hinein, die Ehrenmedaille auf der Brust. Dass das Von der Heydt-Museum um die 80 Druckgrafiken dieses außergewöhnlichen Künstlers besitzt, wurde jüngst entdeckt, und der Fund wird nun erstmals in einer über zwei Jahre durch die Kunsthistorikerinnen Anna Storm und Sierra Kaag sehr sorgfältig erarbeiteten Ausstellung in Wuppertal präsentiert.
Nur wenige historische Quellen geben Aufschluss über das Leben Schencks. Sicher ist, dass er in seinem Geburtsjahr am 26. Dezember 1660 in Elberfeld getauft wurde und bereits in seiner Jugend in die Niederlande nach Amsterdam ging, um bei dem Graveur, Verleger und Kartografen Gerard Valck zu lernen, der ihn in der aufwendigen Mezzotinto-Technik ausbildete, bei der vom Dunklen ins Helle gearbeitet wird. Mit Valck zusammen übernahm er den Kunstverlag J. Jansen, den sie sehr erfolgreich weiterführten. Schencks Stolz auf seine Verlegertätigkeit zeigt sich in der Ausstellung an einem kunstfertig gestalteten Deckblatt, neben dem ein Porträt des verlegten Dichters hängt, ebenfalls angefertigt von Schenck selbst. Um auf dem im 17. Jahrhundert vom Massenmedium Druckgrafik übersättigten niederländischen Markt hervorzustechen, begann Schenck als erster Künstler mit Farbstich zu experimentieren, was ihm durch eine Erfindung Johannes Teylers ermöglicht wurde, der kurz zuvor das entsprechende Verfahren entwickelt und patentieren lassen hatte. Um die historischen Techniken etwas anschaulicher zu vermitteln, zeigt eine Vitrine in der Ausstellung Druck- und Stichwerkzeuge sowie -utensilien, in einer weiteren Ecke ist eine kleine Kinderstation eingerichtet, in der kleine Besucher Techniken selbst probieren und auf Entdeckungstour gehen dürfen.
Schenck erlangte mit seinen Farbstichen mehr und mehr Ansehen und wurde schließlich zum Hofgraveur von August dem Starken von Sachsen-Polen ernannt. Er portraitierte die damalige Prominenz, Könige, Kaiser und Kurfüsten, aber auch zeitgenössische Künstler und sogar Künstlerinnen. Zu den interessantesten Porträts in der Ausstellung gehört eine Mezzotinto-Darstellung des Philosophen René Descartes, die direkt neben einem in Kupferstich ausgeführten Descartes-Porträt von Gerard Edelinck ihre Ebenbürtigkeit beweist. Schenck verkaufte darüber hinaus mit großem Erfolg Landkarten und auch Stadtansichten, die seit dem 15. Jahrhundert populär wurden und bis heute oft die einzigen Quellen sind, um das Aussehen vormoderner Städte zu rekonstruieren. In der Ausstellung ist ein seltenes Buch mit 171 Landschaften zu sehen, das Schenck selbst verlegte. Weitere thematische Schwerpunkte der Schau sind mythologische Themen, italianisierende Motive und Genre-Darstellungen, die rund 40 Werken von zeitgenössischen Malern oder Druckgrafikern wie Rembrandt van Rijn, Aelbert Cuyp und Jacob van Ruysdael gegenübergestellt werden, um die Virtuosität Schencks kunsthistorisch zu verorten.
Nach der Ausstellung sollte man sich im zweiten Obergeschoss unbedingt die neue Sammlungspräsentation „1919 – 2019 – hundert Jahre Moderne im Von der Heydt-Museum“ anschauen, die die letzten 100 Jahre in den Blick nimmt und zugleich als Abschiedsausstellung des bisherigen Direktors Gerhard Finckh fungiert, der das Haus nach 13 Jahren verlässt und in den Ruhestand geht. Neben einem Fokus auf Schicksal und Geschichte des Hauses und seiner Sammlung während des zweiten Weltkriegs lohnt sich insbesondere der Raum zu den 1920er Jahren – in diesem Jahrzehnt erweist sich die Sammlung als besonders stark.
Peter Schenck – Der berühmteste Elberfelder, der jemals in Vergessenheit geriet | bis 25.8. | Von der Heydt-Museum | www.von-der-heydt-museum.de
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