Zum ersten Mal steht die Villa Herberts im Zentrum einer Ausstellung im Skulpturenpark Waldfrieden. Als Inszenierung von Peter Pabst verhält sie sich zwischen Skulptur und Display. In jedem der zwölf Fenster zum Park hin sind ganzflächig Video-Sequenzen aus neun Stücken des Tanztheaters von Pina Bausch zu sehen. Dazu sind Klangcollagen aus diesen Stücken zu hören, nun unverbunden mit diesen und selbst im kontinuierlichen Wechsel. Indem die Filme als Loop verschieden lang laufen, ergeben sich immer neue Konstellationen. Die Ausschnitte selbst haben mit Peter Pabst zu tun: Pabst hat zwischen 1980 und 2009 als Bühnenbildner an 25 Produktionen von Pina Bausch mitgewirkt; er selbst spricht bei seinen Beiträgen von „Spiel-Räumen“.
Nun also verlassen einzelne Sequenzen die Theaterbühne, ohne Pina Bausch vergessen zu lassen. Der Besucher schreitet auf die Villa mit den so unterschiedlichen Fenstern zu, nimmt dabei verschiedene Standpunkte ein und möchte sie vielleicht umrunden. Es liegt an den LED-Lämpchen, dass die Tänzer und Menschengruppen mit ihren Handlungen eine solche Präsenz und Körperlichkeit besitzen. Die grelle Farbigkeit vermittelt alles Geschehen poppig und künstlich. Andererseits wirken die Tänzer im versetzten Übereinander der beiden Stockwerke und hinter den Gitterstäben realistisch, als würden sie im Innern des Hauses agieren. Nun wird auch deutlich: Ein Band aus Grünspan separiert das Dach und konzentriert die Villa, die 1946-49 unter anthroposophischen Gesichtspunkten gebaut wurde, und korrespondiert indirekt mit dem satten Grün der Rasenfläche, welche sanft ansteigt. Plötzlich werden auch die Skulpturen von Thomas Schütte und Tony Cragg Teil der Inszenierung. All das passiert am Tag, wie auch in der Dämmerung und in der Dunkelheit. Dann wirkt die Szenerie mit dem flackernden Licht wieder anders. Immer aber zeigt sich Lebhaftigkeit bis hin zur Unruhe als nicht endender Fluss an hochpräzise choreographierten Bildern und Handlungsfetzen, welche die Umgebung in leuchtendes Rot tauchen.
Das Wuselnde und Flimmernde ist Peter Pabst auch für die Wirkung seiner zweiten Arbeit wichtig, die im Ausstellungspavillon zu sehen ist: Sie ist genau das Gegenteil. Sie visualisiert Stille und wird zum Archiv der Gedanken von Pina Bausch. Vierzehn weiße Schleier im Format von ca. 5 x 8 m hängen von der Decke. Auf dem Stoff, der an Pergament denken lässt und sich leicht im Windzug bewegt, sind über die ganze Fläche zeilig Worte, Satzfetzen gedruckt. Tatsächlich handelt es sich dabei um Stichworte und Fragen von Pina Bausch als Impulse für ihre Tänzer. Der Betrachter, der zwischen den Korridoren läuft, solle sich beim Lesen verlieren, sagt Peter Pabst: vielleicht wie bei einem Lexikon, wo ein Stichwort zum nächsten führt, so dass man beim Lesen und Blättern die Zeit vergisst.
Damit erweist sich die dritte Station mit einem riesigen Rosenhügel, der aus dem Stück „Der Fensterputzer“ stammt, als respektvolle Geste gegenüber Pina Bausch. Der Kegel aus Rosenblättern nimmt die eine Hälfte des neuen, tiefer liegenden Pavillons ein und setzt sich als amorpher Schweif fort. Auf den Rosen schimmert und glitzert das Licht durch das Schaufenster; erhöht von draußen, erlebt man dies wie „aus einer Loge“, wie Tony Cragg dazu gesagt hat. Peter Pabst schafft autonome plastische Werke und bleibt Pina Bausch verbunden. Aber seine Installationen im Skulpturenpark aktivieren auch diesen, spinnen in ihm Fäden, sind konkret und lassen Raum für freie Assoziationen. Ein Anlass dieser Ausstellung ist das 40-jährige Jubiläum des Tanztheaters Pina Bausch, das mit vielen Veranstaltungen in Wuppertal gefeiert wird. Schon diese Ausstellung zeigt, Pina Bausch ist immer dabei.
„Peter Pabst – Vorsichtshalber Vorsichtig. Installationen“ | bis 16. Februar | Skulpturenpark Waldfrieden | www.skulpturenpark-waldfrieden.de
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