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Arnold Genthe, Das große Erdbeben in San Francisco am 18. April 1906, Fotografie,
© Sammlung S, Wuppertal / Historisches Zentrum Wuppertal

Am Anfang einer Revolution

20. Dezember 2010

Die Sammlung „S“ im Historischen Zentrum Wuppertal - Wupperkunst 01/11

Zumal in Zeiten der Digitalkamera, des Fotohandys, bei denen auf Knopfdruck vieles möglich ist und deshalb kaum hinterfragt wird, rückt die aktuelle Ausstellung im Historischen Zentrum in Barmen die Anfänge der Fotografie ins rechte Licht. Wissen wir eigentlich, welchen Weg das Lichtbild seit dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts genommen hat, welche Apparaturen dafür entwickelt wurden und welche Einfälle sich daraus ableiteten?
Darum geht es in der Sammlung „S“ von Karlheinz W. Steckelings. Steckelings wurde 1930 in Berlin geboren, seit 1933 lebt er in Wuppertal; neben der Leitung der elterlichen Bandweberei wendet er sich Mitte der 1960er Jahre dem Lichtbild zu, als Kurzfilmer und Fotograf. Bald kommt das Forschen und Sammeln zur Vorgeschichte beider Medien hinzu. Gewiss liegt es auch am frühen Zeitpunkt seiner Aktivität, dass diese Sammlungen heute so hochkarätig und einzigartig sind. In Mülheim/Ruhr wurde 2005/06 die „Camera Obscura“, das Museum zur Vorgeschichte des Films in einem ehemaligen Wasserturm eingerichtet. Und der Bestand zur Vor- und Frühgeschichte der Fotografie, der mehrere tausend Exponate mit Apparaturen, mechanischen Spielereien und Kuriositäten und mit Ikonen der frühen Fotografie umfasst, war vor einem Jahr im „Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts“ in Baden-Baden zu sehen. Nun ist er also in beiden Häusern des Historischen Zentrums in Wuppertal ausgestellt. Der Titel „Licht fangen – Die Geschichte hinter den Bildern“ bringt die Sache auf den Punkt. Es geht darum, wie ein Paradoxon damals zu lösen war, und zu welchen Schritten und Umsetzungen dies geführt hat. Das ist ebenso lehrreich (so werden die frühen fotografischen Verfahren erläutert) wie beeindruckend (denken wir nur an die frühen Kameras selbst) und schließlich mit den Objekten und fotografischen Bildern ausgesprochen wertvoll. Nebenbei erschließt sich die Rolle des Bürgertums mit seinem Status und Selbstverständnis weiter, woraus sich wiederum Aufgaben der Fotografie ableiteten.
Meilensteine in der Entwicklung der Fotografie
Idealerweise beginnt die Ausstellung im Ambiente des Engels-Hauses. Die frühesten Fotografien, die silberbeschichteten Daguerreotypien, sind hier in beachtlicher Zahl zu sehen. Hier tritt das Lichtbild auch in das heimische Ambiente ein, als Lithophanieständer und Tisch-Lichtschirme. Luxus und handwerkliche Gestaltung zeichnen die Kinderstube der Fotografie aus und kehren in der Laterna Magica und Camera Obscura mit der naturalistischen Wiedergabe des Gesehenen wieder. Ausgestellt ist auch die Liesegang Nassplattenkamera, die in Elberfeld um 1860 gefertigt wurde.
Im Museum sind dann die Aufnahmen der Pioniere der Fotografie zu sehen, beginnend mit Fox Talbot, David Octavius Hill und Roger Fenton. Fotografie bedeutete erst recht da nicht nur Dokumentation, künstlerischer Beitrag und technischer Fortschritt, mit dem auch schnelle Bewegungen, die sich dem Auge entziehen, festgehalten wurden. Sehr schnell ersetzte sie die Portraitmalerei, taugte noch zur psychologischen Studie. Darüber hinaus vergegenwärtigte sie Reisen und informierte über die Ferne. Sie dokumentierte Zeitgeschichte wie den Boxeraufstand in China, und sie lieferte erschütternde Belege für Kinderarbeit. Derartige Aufnahmen, welche die soziale und gesellschaftliche Bedeutung der Fotografie unterstreichen, fügen sich direkt in die Sammlungspräsentation des Historischen Zentrum ein: Dieses widmet sich der Darstellung der sozialen und technischen Veränderungen in der Industrialisierungsphase von 1780 bis 1850.
Hier schließen auch die kinematografischen Objekte und Apparaturen an, die wie Wunderwerke der Zukunft anmuten mussten in der Erzeugung filmischer und fotografischer Effekte, welche dreidimensionale Tiefe simulierten und als Daumenkino Bewegung suggerierten. Die Ausstellung ist also ein Fest zur Idee der Fotografie, und als solches wird die Finissage am 9. Januar würdig begangen: mit Klaviermusik mit und von Henrik Albrecht, mit Stereophotographien zu Sizilien um 1900 und einem Gespräch zwischen dem Museumsleiter Eberhard Illner und Karlheinz Steckelings – näher an die Wurzeln der Fotografie kommt man sonst kaum.



Licht fangen – Die Geschichte hinter den Bildern. Die Sammlung Steckelings
bis 9. Januar im Historischen Zentrum Wuppertal/Engels-Haus
www.historisches-zentrum-wuppertal.de

THOMAS HIRSCH

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