Selbst wenn man meint, Picasso und Beckmann hinlänglichen zu kennen – die großen alten Meister der Moderne sind doch immer wieder für kleine Überraschungen gut. Gut, vom manisch produktiven Picasso, der in seinem langen Leben über 40.000 Werke schuf, wird man in jeder Ausstellung bislang Unbekanntes sehen. Aber auch Beckmanns Œuvre hält Entdeckungen bereit. Das Wuppertaler Museum zeigt erstmals nun – als Beitrag zum weltweiten Ausstellungsreigen im 50. Todesjahr Picassos – thematisch verwandte Arbeiten beider Ausnahmekünstler im Dialog und lädt zum Vergleichen ein.
Kann man machen. Beide Künstler, der Spanier Picasso (1881–1973) und der Deutsche Beckmann (1884–1950) stehen für figürliche Malerei in der ersten Hälfte des 20. Jh. – vorrangig für Menschenbilder, nicht selten Selbstporträts. Von beiden hat das Von der Heydt-Museum und als Kooperationspartner das Sprengel Museum Hannover ein größeres Konvolut im jeweiligen Depot. Und so gelang es den Kuratoren, ergänzt durch wenige Leihgaben, 56 Gemälde, 195 Grafiken und zwei Skulpturen zusammenzutragen und in der zweiten Ausstellungsetage in neun Kabinetten zu konfrontieren. Die kleinen thematischen Einheiten, stets paritätisch bestückt, werden begleitet von Texttafeln, die Ähnlichkeiten und Unterschiede beider künstlerischen Positionen anreißen. Der zehnte Ausstellungsaum zeigt als Zugabe Menschenbilder anderer Zeitgenossen aus der Sammlung.
Der Auftaktraum gibt sich unspektakulär mit Biografietafeln und (Selbst-)Porträts; es geht eigentlich sofort in medias res. Von Raum zu Raum, von Bildnissen gesellschaftlicher Außenseiter über kubistische Experimente und Maskeraden bis zu Darstellungen massiger menschlicher Körper in Raum 5, wo beide Künstler sich formal und thematisch weitgehend annähern. Mythen und Sagen inspirierten beide. Doch speziell beim Frauenbild und der Beziehung zwischen den Geschlechtern unterscheiden sie sich augenfällig. Beckmann fokussierte die in sich ruhende Frau neben angespannten Männern, während es in Picassos Spätwerk nicht um einfühlendes Verständnis ging, sondern um formale künstlerische Experimente.
Ja, es gibt Gemeinsamkeiten, es gibt Unterschiede und es gibt Ähnlichkeiten aus Zufall oder mit völlig andersartigen Intentionen. Wem das zu akademisch, fragwürdig oder einfach egal ist, kann einzelne großartige Werke für sich entdecken, z. B. Beckmanns kleine Bronzefigur des sich vorsichtig vorantastenden „Mann im Dunkeln“. Seine unbekannteren Landschaften zeigen ungewohnte Perspektiven: Blicke aus dem Zugfenster mit lockerem Pinselstrich – flüchtige Schnappschüsse, auf Leinwand gebannt. Blicke von einer Terrasse auf Pariser Vororte (1930), wo sich die Seine hindurchschlängelt wie Zahnpasta aus der Tube.
Picassos Grafik verblüfft einmal mehr durch punktgenau hingeworfene Umrisslinien. Frauen, Stiere, Katzen, Pferde mit umeinandergewundenen Gliedmaßen, anatomisch immer korrekt, ein Phänomen. Umso kurioser seine Radierung „Maler und strickendes Modell“ (1927), auf der ein konzentrierter Künstler von der handwerkelnden Frau statt Porträtähnlichkeit nur knäuelförmige Wirrnis auf die Leinwand zaubert. Einfach große Kunst.
Pablo Picasso | Max Beckmann: Mensch – Mythos – Welt | bis 7.1.24 | Von der Heydt-Museum, Wuppertal | 0202 563 62 31
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