Die Kamera hat sich vom Menschen abgewendet und richtet ihren Blick auf die schöne Materie. Übrig bleibt die Abwesenheit als Leerstelle in einer Realität, die das Dingliche zelebriert, die den Raum ohne Mensch als Metapher überwunden hat und nur noch die Ahnung von einstiger Präsenz zulässt. So könnte man das fotografische Weltbild des Fotokünstlers Mattias Schaller definieren, der in seiner Ausstellung „Porträt“ im Düsseldorfer NRW-Forum gerade einen Querschnitt seiner bisherigen Serien zeigt. Eyecatcher am Anfang der großartigen Schau sind die „Disportraits“ (2008–2009), drei spiegelnde Astronautenhelme ohne Gesicht oder nur mit einem vermuteten Inhalt. Die Anzüge stammen auch nicht von der NASA, sie sind alle in Sammler-Privatbesitz.
Ein absolut ästhetischer Höhepunkt ist die Schreibtisch-Serie „Purple Desk“ (2004–2008). Auch dort geht es nicht um Individuen, eher um das Porträt einer christlichen Institution. Der studierte Anthropologe Schaller fotografierte 30 Arbeitszimmer von Kurienkardinälen des Vatikans, den höchsten Mitarbeitern der Zentralverwaltung. Diese Bilder zeigen viel vom Selbstverständnis einer wankenden Macht auf dem Planeten, die den Herrschenden immer dienlich war und dabei monströs reich geworden ist. Ihre perfekt gestylten Schreibtische werden fast zu furchteinflößenden musealen Installationen, die mehr von starrer Obrigkeit als liebevoller Ergebenheit berichten. Das haben sie zweifelsfrei mit der „Echokammer“-Serie gemeinsam, die zwischen 2002 und 2003 entstand, als Schaller in Neapel Kinderzimmer fotografieren wollte und die Eltern diese Räume bis in den kleinsten Winkel aufgeräumt hatten. Erstmals ausgestellt ist der Zyklus „Die Mühle“ (2001–2002). Akribisch genau ist auch hier die Funktionalität des Ateliers von Bernd und Hilla Becher, die ihre Räume in Düsseldorf spontan für den Fotografen öffneten und so eine Momentaufnahme ihres Lebens und Schaffens zuließen.
Facettenreich erzählt ihre Nichtanwesenheit hinter den Objekten Bild für Bild endlose Geschichten aus der Alltäglichkeit international renommierter Künstler. Schaller investiert zum Teil Jahre in seine Serien. Schnörkellose Klarheit und ein strenger Bildaufbau lassen das Objekthafte in seinen Bildern fast surreal erscheinen, der Betrachter sucht quasi nach Beweisen einstiger Anwesenheiten oder Entitäten. Die lassen sich auch in der großformatigen Serie „Das Meisterstück“ (seit 2007) spüren. In Museen und Archiven hat Schaller die hinterlassenen Farbpaletten großer Künstler gefunden. Sie stehen nun stellvertretend als Bild-Solitäre mit Farbklang und minimalen Pinselstrukturen für Hinweise auf die ehemaligen Meister. Fast federflügelleicht das Brett von Eugène Delacroix, und – wie könnte man es anders erwarten –, wild und bunt die Paletten von Oskar Kokoschka und Vincent van Gogh.
Bis Ende Mai kontrastieren die Fotografien von Matthias Schaller die parallel laufende Ausstellung „Subversives Design“ im NRW-Forum, die ein „Kaufhaus der Kritik“ und Gegenpol zum klassischen Design-System sein will. Schaller macht aus einer der weltweit größten Punkmusik-Sammlungen in Venedig lieber subversive Rillenkunst („Lagunenwalzer“, 2012).
Porträt: Fotografien von Matthias Schaller | bis 22.5. | NRW-Forum Düsseldorf | 0211 56 64 27 49
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