Haute Couture in einem Kunstmuseum ist seit Jahren en vogue. Karl Lagerfeld, Pierre Cardin, Wolfgang Joop, Jill Sander, ja selbst Yves Saint-Laurent – alle konnte man mit ihren aufwendigen Kreationen bereits in Museentempeln in NRW sehen. Jetzt kommt einer dazu, den die wenigsten in diesen Sphären kennen werden, der aber dennoch einer der wichtigsten Modeschöpfer Deutschlands war. Hafri, der Dior vom Rhein oder vom Ruhrgebiet, je nachdem welches seiner zwei Ateliers man im Auge hatte, machte fünf Jahrzehnte Mode für Frauen, auch wenn er und seine wohlhabenden Kundinnen das anders sahen. Hanns Friedrichs (1928-2012) Motto: „Ich mache keine Mode, ich ziehe Frauen an“ war dabei selbst gewähltes Understatement, denn künstlerisch und handwerklich hätte er mit den Größen seiner Zeit wohl mithalten können.
In Hagen eröffnete der gelernte Schneider, der eigentlich Schauspieler werden wollte 1949 sein erstes Atelier, schon 1950 zog es ihn in die Landehauptstadt, wo seine Modeschauen oft zum visuellen Spektakel wurden. Jetzt zeigt das Emil Schumacher Museum in Hagen im Oberlichtsaal eine komprimierte Schau nicht nur gegen die Vergessenheit, sondern auch zur Erinnerung an einen kunstvollen Modeschöpfer. 100 Modelle aus fünfzig Jahren sind dort zu sehen – seinen ehemaligen Direktricen sei Dank, dass es so viele wurden, denn die meisten Kleider und Roben befinden sich im Privatbesitz namhafter Unternehmer-Familien des Landes.
Also rein in die heilige Halle, in der es Tageslicht von, aber leider keine Spots an der Decke gibt, wie Rouven Lotz, Direktor des Emil Schumacher Museums bedauernd erklärt. Aber das brauchen die Modelle auch nicht. Verarbeitung, Material, alles höchste Qualität. Über Hahnenschlappen und Schlangenleder soll sich die vegane Gesellschaft aufregen, ich überlege immer noch, was mir die Mistelzweige in Hüfthöhe sagen sollen (Abendkleid 1993). Viel florale Stickerei ist zu sehen, wunderbar die Ausarbeitung mit Paillettenund feinem Tüll. Klar, das lange schwarze Abendkleid der Kölner Stammkundin Katharina Löhring (jecke Fußballfans werden sie kennen) aus Spitze auf Seidentüll mit Stiftperlen und Pailletten bestickt und Hahnenschlappen im Schulterbereich war und ist ein mächtiger Hingucker. Das Schauen und Bewundern durch den Raum bis hin zu den obligatorischen Hochzeitskleidern hat viele Höhepunkte. Friedrichs hat schließlich Zeitlosigkeit in Stoff gehüllt.
Im Eingangsbereich hängt an der Wand ein Kleiderständer mit Modellen, die es aus Platzmangel nicht in den Oberlichtsaal geschafft haben, gleich daneben ein altes Foto von 1952, das den jungen Couturier kniend vor seinen Modellen zeigt, bevor die Düsseldorfer Schau beginnt. Friedrichs arbeitete nie mit 190cm-Magermodels, seine Kundinnen fühlten sich also immer verstanden. Vitrinen mit Schneiderwerkzeug und die Schnittmusterwand runden das Arbeitsleben ab. Die Kunst liegt eingetütet auf der anderen Seite. Eine Menge Modellskizzen füllen die Wand, hier und da findet man die Idee für ein Werk aus der Ausstellung, der riesige Rest liegt wohlsortiert in braunem Packpapier unter Glas, fast schon selbst eine Installation.
Hanns Friedrichs | bis 22.3. | Emil Schumacher Museum, Hagen | 02331 207 31 38
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