Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
23 24 25 26 27 28 29
30 31 1 2 3 4 5

12.583 Beiträge zu
3.812 Filmen im Forum

Hanns Friedrichs mit Mannequin (um 1957)
Foto: Nachlass Friedrichs

Diskreter Charme von Rhein und Ruhr

09. Januar 2023

Jenseits von 99 Luftballons: Hanns Friedrichs in Hagen
 – kunst & gut 01/23

Haute Couture in einem Kunstmuseum ist seit Jahren en vogue. Karl Lagerfeld, Pierre Cardin, Wolfgang Joop, Jill Sander, ja selbst Yves Saint-Laurent – alle konnte man mit ihren aufwendigen Kreationen bereits in Museentempeln in NRW sehen. Jetzt kommt einer dazu, den die wenigsten in diesen Sphären kennen werden, der aber dennoch einer der wichtigsten Modeschöpfer Deutschlands war. Hafri, der Dior vom Rhein oder vom Ruhrgebiet, je nachdem welches seiner zwei Ateliers man im Auge hatte, machte fünf Jahrzehnte Mode für Frauen, auch wenn er und seine wohlhabenden Kundinnen das anders sahen. Hanns Friedrichs (1928-2012) Motto: „Ich mache keine Mode, ich ziehe Frauen an“ war dabei selbst gewähltes Understatement, denn künstlerisch und handwerklich hätte er mit den Größen seiner Zeit wohl mithalten können.

Hagener Emil Schumacher Museum
Foto: Werner Hannappel, Essen
DAS MUSEUM: Das Hagener Emil Schumacher Museum wurde 2009 eröffnet und ist dem Lebenswerk seines Namensgebers gewidmet. Neben den Arbeiten Schumachers werden Künstler ausgestellt, deren Arbeiten in gewissem Bezug zu dessen Werk stehen.

In Hagen eröffnete der gelernte Schneider, der eigentlich Schauspieler werden wollte 1949 sein erstes Atelier, schon 1950 zog es ihn in die Landehauptstadt, wo seine Modeschauen oft zum visuellen Spektakel wurden. Jetzt zeigt das Emil Schumacher Museum in Hagen im Oberlichtsaal eine komprimierte Schau nicht nur gegen die Vergessenheit, sondern auch zur Erinnerung an einen kunstvollen Modeschöpfer. 100 Modelle aus fünfzig Jahren sind dort zu sehen – seinen ehemaligen Direktricen sei Dank, dass es so viele wurden, denn die meisten Kleider und Roben befinden sich im Privatbesitz namhafter Unternehmer-Familien des Landes.

Also rein in die heilige Halle, in der es Tageslicht von, aber leider keine Spots an der Decke gibt, wie Rouven Lotz, Direktor des Emil Schumacher Museums bedauernd erklärt. Aber das brauchen die Modelle auch nicht. Verarbeitung, Material, alles höchste Qualität. Über Hahnenschlappen und Schlangenleder soll sich die vegane Gesellschaft aufregen, ich überlege immer noch, was mir die Mistelzweige in Hüfthöhe sagen sollen (Abendkleid 1993). Viel florale Stickerei ist zu sehen, wunderbar die Ausarbeitung mit Paillettenund feinem Tüll. Klar, das lange schwarze Abendkleid der Kölner Stammkundin Katharina Löhring (jecke Fußballfans werden sie kennen) aus Spitze auf Seidentüll mit Stiftperlen und Pailletten bestickt und Hahnenschlappen im Schulterbereich war und ist ein mächtiger Hingucker. Das Schauen und Bewundern durch den Raum bis hin zu den obligatorischen Hochzeitskleidern hat viele Höhepunkte. Friedrichs hat schließlich Zeitlosigkeit in Stoff gehüllt.

Hanns Friedrichs Couture, 1950er Jahre. Foto: Emil Schumacher Museum, Hagen/Joachim Schwingel.

Im Eingangsbereich hängt an der Wand ein Kleiderständer mit Modellen, die es aus Platzmangel nicht in den Oberlichtsaal geschafft haben, gleich daneben ein altes Foto von 1952, das den jungen Couturier kniend vor seinen Modellen zeigt, bevor die Düsseldorfer Schau beginnt. Friedrichs arbeitete nie mit 190cm-Magermodels, seine Kundinnen fühlten sich also immer verstanden. Vitrinen mit Schneiderwerkzeug und die Schnittmusterwand runden das Arbeitsleben ab. Die Kunst liegt eingetütet auf der anderen Seite. Eine Menge Modellskizzen füllen die Wand, hier und da findet man die Idee für ein Werk aus der Ausstellung, der riesige Rest liegt wohlsortiert in braunem Packpapier unter Glas, fast schon selbst eine Installation.

Hanns Friedrichs | bis 22.3. | Emil Schumacher Museum, Hagen | 02331 207 31 38

Peter Ortmann

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Heretic

Lesen Sie dazu auch:

Malerische Fotografie
„Foto – Kunst – Foto“ im Clemens Sels Museum Neuss – Kunst in NRW 12/24

Freie Form
„Jean Fautrier – Genie und Rebell“ im Emil Schumacher Museum Hagen – kunst & gut 08/24

„Keine klassischen Porträtfotografien“
Kuratorin Kerrin Postert über „UK Women“ in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen – Sammlung 06/24

Vom Kleinsten und Größten
„Size matters“ im Kunstpalast Düsseldorf – kunst & gut 03/24

Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24

Ein Star unter den Fotografierten
Max Ernst auf Fotografien in seinem Museum in Brühl – kunst & gut 03/23

Todfeinde der Malerei
„Eine neue Kunst. Fotografie und Impressionismus“ in Wuppertal
 – kunst & gut 11/22

Visionen zwischen Schein und Wirklichkeit
Zwei unterschiedliche Künstlerinnen im Osthaus-Museum
 – kunst & gut 09/22

Das Porträt zur Abwesenheit
Matthias Schaller im NRW-Forum Düsseldorf – kunst & gut 03/22

Fett, Gold und tote Tiere
Ute Klophaus im Von der Heydt Museum – kunst & gut 11/21

Panoptikum der Gegenwart
Andreas Gursky in der Küppersmühle Duisburg – kunst & gut 10/21

Am Ort des Geschehens
Tobias Zielony im Museum Folkwang in Essen – Kunst in NRW 09/21

Kunst.

HINWEIS