Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
23 24 25 26 27 28 29
30 31 1 2 3 4 5

12.583 Beiträge zu
3.812 Filmen im Forum

Monika Kus-Picco, Salvation, medizinische Produkte auf Leinwand, 200 x 300 cm
© Studio Monika Kus-Picco

Visionen zwischen Schein und Wirklichkeit

30. August 2022

Zwei unterschiedliche Künstlerinnen im Osthaus-Museum
 – kunst & gut 09/22

Wer hinabsteigt in die wirklich schön restaurierten Kellerräume des Hagener Osthaus Museums, der entdeckt zurzeit zuerst Kinder in inszenierten Posen. Ein leicht bekleidetes Mädchen in einem dunklen Stollen, dicke Stempel und ein Licht, nein, nicht der Steiger kommt in den finnischen Wäldern, wo die renommierte Fotografin Aino Kannisto diese Serie kreiert hat. Vielleicht kommt ein Wolf oder eine Schar Elfen, der nordeuropäische Düsterwald hat jedenfalls viele Mythen und Sagen zu bieten. Diese verborgenen Geheimnisse finden sich in jeder der 33 Fotografien mit dem Titel „Little Angels“, die noch bis Mitte September zu sehen sind, und da gibt es nicht nur verwunschene Frösche und fünf Nixen zu sehen, auch Kinder im Unterholz und selbstvergessen am Wasser. Nach 20 Jahren Selbstporträts wollte Aino Kannisto mal was anderes machen und so wurden es Kinder in einer „Kombination aus Realität und Fantasie“, wie sie selbst analysierte.

Weiter geht’s hinauf in die nächste Vision von Schein und Wirklichkeit. Monika Kus-Picco zeigt hier in „Floating“ mächtig ungewöhnliche, abstrakte Leinwandbilder, Arbeiten auf Papier und Skulpturen, die alle aus pharmazeutischen Substanzen bestehen sollen. Eigentlich will ich nach den großformatigen „Blood Cells“ (2022) gar nicht mehr weiter schauen, doch je näher der Betrachter den Bildern kommt, desto detailreicher und interessanter werden sie. Also überwinden und rein. Reste von Tablettenkapseln tauchen auf, hier und da hat die Farbe Substanz und die Substanzen Farbe, alles spielt mit der Fantasie, die unvorstellbar vielen Farben wechseln, erstaunlich, wie die Pharmaindustrie „Mother’s little helper“ so schön bunt macht. Auf „Erection Day“ (2022) bleibt natürlich alles blau, „Daddy’s little helper“ haben in der jüngsten Forschung Anzeichen gezeigt, bei Alzheimererkrankungen hilfreich zu sein.

Monika Kus-Picco, More about Blood Cells and Vessels, 2022, medizinische Produkte auf Leinwand, 220 x 150 cm, © Studio Monika Kus-Picco

Hier schneidet sich also die Kunst mit der Wissenschaft, selbst Hermann Nitsch (1938-2022), Landsmann der Österreicherin mit brasilianischen Wurzeln war von der außergewöhnlichen Malerei angetan, stiftete einen Text und Wandzitate. Dass der kongeniale Blut-Orgien-Meister das „Medikamente-Mischen“ als malerische Aktionskunstverstand, ist klar, auch für Monika Kus-Picco die immer mit OP-Handschuhen an den Pinsel muss, ist das Ergebnis manchmal unvorhersehbar, denn die Reaktion der verschiedenen Substanzen auf der Leinwand lassen sich kaum steuern. Die Präparate (natürlich alle mit abgelaufener Haltbarkeit) wurden akribisch im Mörser zerrieben, und dann mit medizinischen Flüssigkeiten vermischt. Aus der Unmenge an lethalen und non-lethalen Stoffen in der Pharmazeutik ergeben sich so unendliche Kombinationsmöglichkeiten. Und so kann man getrost noch einmal Hermann Nitsch zitieren: „Mit so einer Ausschließlichkeit wie Monika Kus-Picco hat noch niemand Medizin mit Kunst verbunden“. Genau: Für uns Betrachter öffnen sich in den Bildern ein ganz neuer Bilder-Kosmos und ein merkwürdiger anderer Bezug zum Medikament an sich. Irgendwo steht noch eine Gehirn-Skulptur aus bunten Tabletten und Kapseln, ich überlege gerade, ob Apotheker diese Kunst mögen würden.

Monika Kus-Picco: Floating / Aino Kannisto: Little Angels | bis 11.9. | Osthaus-Museum Hagen | 02331 207 31 38

Peter Ortmann

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Heretic

Lesen Sie dazu auch:

Malerische Fotografie
„Foto – Kunst – Foto“ im Clemens Sels Museum Neuss – Kunst in NRW 12/24

„Keine klassischen Porträtfotografien“
Kuratorin Kerrin Postert über „UK Women“ in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen – Sammlung 06/24

„Das kann einem einen kalten Schauer bringen“
Direktor Tayfun Belgin über die Gottfried Helnwein-Ausstellung im Osthaus Museum Hagen – Sammlung 04/24

Vom Kleinsten und Größten
„Size matters“ im Kunstpalast Düsseldorf – kunst & gut 03/24

Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24

Clemens Weiss im Osthaus Museum
„Green Bridge. Skulpturen“ in Hagen – kunst & gut 08/23

Ein Star unter den Fotografierten
Max Ernst auf Fotografien in seinem Museum in Brühl – kunst & gut 03/23

Diskreter Charme von Rhein und Ruhr
Jenseits von 99 Luftballons: Hanns Friedrichs in Hagen
 – kunst & gut 01/23

Todfeinde der Malerei
„Eine neue Kunst. Fotografie und Impressionismus“ in Wuppertal
 – kunst & gut 11/22

Das Porträt zur Abwesenheit
Matthias Schaller im NRW-Forum Düsseldorf – kunst & gut 03/22

Fett, Gold und tote Tiere
Ute Klophaus im Von der Heydt Museum – kunst & gut 11/21

Panoptikum der Gegenwart
Andreas Gursky in der Küppersmühle Duisburg – kunst & gut 10/21

Kunst.

HINWEIS