Der Name Adolf Erbslöh ist natürlich bekannt, in Wuppertal sowieso, ist ein bisschen Kunstgeschichte. Seine Gemälde sind vorzügliche sinnliche Erlebnisse: in ihrer Leuchtkraft und der satten Farbigkeit, der Sorgfalt der Malerei und der Klarheit der Bildsprache – und natürlich mit der Aura der Avantgarde, die sie umgibt. Erbslöh (1881-1947), der aus einer angesehenen Barmer Kaufmannsfamilie stammte, hat das künstlerische Geschehen mit den verschiedenen Zeitströmungen vor und nach dem Ersten Weltkrieg mit seiner Malerei begleitet. Er war in München Mitbegründer und zeitweilig Vorsitzender der Neuen Künstlervereinigung, der solche Schwergewichte wie Kandinsky, Marc und Münter angehörten. Seit seinem Akademiestudium, das er 1901 in Karlsruhe begonnen hatte, und dem Wechsel nach München 1904 stand er in Kontakt mit den wichtigsten Malern in Deutschland. Zu seinen engen Freunden gehörten Alexander Kanoldt, der Erbslöh später für die Ausstellung der „Neuen Sachlichkeit“ in Mannheim empfahl, und Alexej Jawlensky, dessen Grabrede Erbslöh 1941 hielt.
Wie all das zu bewerten ist, was in der Malerei von Erbslöh selbst gekonnte Aneignung, Zeitgeschmack und eigene Erfindung ist, untersucht nun die aktuelle Ausstellung des Von der Heydt-Museum. Sie stellt Erbslöhs Gesamtwerk chronologisch vor, erweitert um Bilder seiner Kollegen aus Deutschland und Frankreich, überwiegend aus dem grandiosen Bestand des Museums selbst. Ein weiterer Aspekt, der im etwas hartleibigen Ausstellungstitel „Der Avantgardemacher“ angesprochen wird, ist die Rolle von Erbslöh als zeitweiliger Sammler der Werke seiner Freunde, seine Mitwirkung bei der Neuen Künstlervereinigung und seine Fürsprache bei den Ausstellungskuratoren etwa in Barmen und Elberfeld für die Kollegen, die damals noch nicht etabliert waren.
Und dann ist da seine eigene Malerei. Erbslöh beginnt im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts im Umfeld des Expressionismus und unter dem Einfluss der französischen Fauves mit Akten und Landschaftsdarstellungen, wendet sich dann auch Stadtansichten zu und wählt dort und bei seinen Landschaften atemberaubende Perspektiven, was vielleicht in seinem professionellen Interesse für die Fliegerei begründet liegt. Faszinierend ist sein Bild von der Wuppertaler Schwebebahn, eingefangen in Untersicht: Die verschatteten Verstrebungen lassen an eine riesige Spinne denken. Die Farben der Häuser spiegeln sich in der Wupper... Im Laufe der Jahre beruhigt sich sein Malduktus und er gelangt zu einer Versachlichung, bei der sich Farbfelder als Gebirge oder Architektur wie kristalline Keile zusammenschließen. Aber nicht damit, sondern mit Stillleben von Topfpflanzen in kargen Innenräumen wird er 1925 zur Ausstellung „Neue Sachlichkeit“ in der Kunsthalle Mannheim eingeladen: einer heute legendären Schau junger Künstler aus Deutschland, die sich dem Realismus zurechnen lassen. Später – zumal nach seinem Umzug 1934 nach Irschenhausen im Isartal – wendet sich Erbslöh, abgesehen von seiner Porträtmalerei, ganz nach draußen in die Landschaft, dort gewinnt der Impressionismus die Oberhand. Bei Erbslöh ist dies vor allem ein geniales Spiel des Lichts, das auf den Weg fällt, Erde und Pflanzen erhellt und die Natur zum Vibrieren bringt. Zu Lebzeiten war Erbslöh als Künstler angesehen und wurde mit seinen Bildern regelmäßig ausgestellt, so auch 1931 in einer Werkübersicht im Kunstverein Barmen.
Weitere Ausstellungen folgten nach seinem Tod im Von der Heydt-Museum, als Werkschau zuletzt vor 25 Jahren. 2000 folgte eine Präsentation der grafischen Arbeiten, erarbeitet von Antje Birthälmer. Die aktuelle Ausstellung nun hat Beate Eickhoff kuratiert. Geglückt ist sie auch deshalb, weil sie rein im Nebeneinander der Bilder direkte Zusammenhänge unter den Künstlern herausarbeitet und ohne großes Brimborium demonstriert, warum ein Meisterwerk ein Meisterwerk ist. Und davon gibt es hier wirklich viele. Man möchte gerne öfter solche Ausstellungen sehen.
Adolf Erbslöh. Der Avantgardemacher | bis 20.8. | Von der Heydt-Museum | 0202 562 62 31
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