Schon zu Lebzeiten waren Edgar Degas und Auguste Rodin berühmt. Dabei hatten ihre Karrieren unter ungleichen Voraussetzungen begonnen und ganz verschiedene Wege genommen. Degas (1834-1917) stammte aus einer adligen Familie und war Sohn eines Bankiers. Hingegen war der Vater von Rodin (1840-1917) Polizeiinspektor, der mit der Familie nach Paris gezogen war. Und während Degas in die Kunstakademie sozusagen durch gewunken wurde, scheiterte Rodin dreimal bei der Aufnahme. Rückblickend war das für die Kunstgeschichte ein Glücksfall: Denn so blieb er dem Handwerk des Bildhauers, das er als Stuckateur in frühen Jahren gelernt hatte, verbunden. Rodin hatte schon bald Erfolg und war in der Gesellschaft präsent, wohingegen sich Degas nach dem Bankrott seines Vaters um die Familie kümmern musste, trotz seiner künstlerischen Anerkennung dünnhäutig wurde und sich aus der Öffentlichkeit zurückzog.
Aber Beide wurden zu Hauptvertretern der französischen Moderne. Die Oberflächen, Farbflecken ihrer Werke scheinen zu vibrieren. Zunächst war dem Publikum und den Kunstrichtern eine derartige Vitalität nicht geheuer. Rodins „Mann mit gebrochener Nase“ wurde 1864 von der Jury des Salons abgelehnt. Degas Wachsfigur der „Kleinen Tänzerin“, die er 1881 auf der Ausstellung der Gruppe der Impressionisten zeigte, erging es nicht besser. Nicht nur schien sie in ihrem Naturalismus vom jungen Mädchen lediglich abgenommen zu sein, ihr Gesichtsausdruck wirkte auch noch anrüchig. Degas beschränkte sich fortan auf das Ausstellen von Gemälden, Pastellen, Zeichnungen und Monotypien, die seinen Ruf als Begründer der impressionistischen Malerei unterstrichen. Erst nach seinem Tod wurden im Atelier Wachs-, Gips- und Tonmodelle entdeckt und gegossen. Auch sie gehören heute zur Kunstgeschichte.
Die Schau in Wuppertal stellt die Gemeinsamkeiten der ungleichen Kollegen heraus, die Beide zur selben Zeit am selben Ort tätig waren. Und, wie Gerhard Finckh, Direktor des Von der Heydt-Museums sagt, sie untersucht, wie beide mit den Problemen und Anforderungen ihrer Zeit umgingen. Beide wenden sich den Zerstreuungen in Paris zu und richten den Blick auf den einfachen Menschen. Dazu tragen das spontane Sehen und die Unmittelbarkeit der bildnerischen Bannung bei. Wie Rodin hat auch Degas seine Skulpturen von außen aufgebaut, indem er das Wachs als Klümpchen auf die Oberfläche auftrug.
Ohne die Beziehungen überzustrapazieren, werden im Von der Heydt-Museum die Werke von Degas und Rodin nebeneinander gestellt, von Raum zu Raum strukturiert nach zeitlichen Etappen und den Einflüssen und Motiven. Dies betrifft besonders die Rolle der neu aufkommenden Fotografie, sowie die Pferde, Reiter, Tänzerinnen und Aktdarstellung. Während die Ausstellung Rodins Werk komfortabel abdeckt, merkt man bei Degas das Fehlen essentieller Werke. Besonders auffällig ist dies im Saal mit den Pferdedarstellungen. Und doch: Deutlich wird gerade hier, wie sehr sich Rodin für das Kreatürliche interessiert und Degas wiederum das Pferd im gesellschaftlichen Kontext und in seiner Bewegung – beim Pferderennen – schildert. Ähnlich ist der Unterschied bei den Aktdarstellungen. Rodin konfrontiert mit dem nackten Körper, der sich dem Betrachter regelrecht entgegen reckt. Hingegen rückt Degas die Aktfigur oft als geschlossene Gestalt in den Mittelgrund.
Gerhard Finckh ist als Ausstellungsmacher ein Meister der Inszenierung. Jeder Raum ist ein neues Erlebnis. Das gilt auch für die Salon-Hängung der Gemälde etwa von Manet, Monet, Cézanne und Sisley, zusammengestellt aus der eigenen Sammlung. Auch das ist eine Erkenntnis dieser Ausstellung: Das Von der Heydt-Museum macht sich mit seinen eigenen Werken allein schon zum Impressionismus ziemlich gut in der Museumslandschaft.
„Degas & Rodin. Giganten der Moderne“ | bis 26.2. | Von der Heydt-Museum | 0202 563 26 26
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