So richtig wild waren die 1960er und 70er Jahre in der Kunst. Sagt man. Zugegeben, in meinem Heimatmuseum zeigte man uns jungen Kunst-Freaks eher spröde osteuropäische „Avantgarde“, die Post ging erst ab, als in Köln die Galerie-Vernissagen zu Events wurden. Das Wuppertaler Von der Heydt-Museum zeigt nun mit „Zero, Pop und Minimal – Die 1960er und 1970er Jahre“ aus ihrem Bestand Arbeiten aus diesen Jahren, als Museen noch über solvente Ankaufsetats verfügten und das eine oder andere Frühwerk späterer Kunstmarktgiganten ergattern konnten. Los geht‘s in den frühen 1960ern mit „Licht und Bewegung“, optischen Täuschungen, kinetischen Spielereien des jungen Jean Tinguely und den weißen Nagelflächen von Günter Uecker. Erstes Highlight ist sicher der geniale Riss in der Leinwand von Lucio Fontana, ein kunstgeschichtlicher Meilenstein wie einst „Das Schwarze Quadrat“ von Malewitsch (1919). Der nächste kleine Zwischenraum zeigt „Experiment und Wissenschaft“, es dreht sich die Skulptur, es flackert das Licht („Lux 9“ von Nicolas Schöffer) und zum ersten Mal sollte Kunst auf die Straße gelangen.
Das schaffte dann locker „Antikunst – Fluxus – Happening“. Christo packte mal nur ein paar Zeitschriften ein, Dieter Roth streuselte die Schokolade lieber auf Eisenplatten und der grandiose Wolf Vostell machte in Wuppertal die berühmte Bustour mit Beuys, Bazon Brock und vielen anderen Großkalibern. Joe Jones Klavier hat leider altersbedingte Tastensperre, aber seine „Standgitarre“ (1968–71) klingt immer noch, wenn die Aufsicht den Motor über den Saiten anstellt. Die Kunst ging in die Welt hinaus, nicht Pleinairmalerei, nein, Land Art und Happenings mitten in den Einkaufsmeilen boomten. Von Hansjörg Voth stehen drei Holzstangen in der Mitte verschnürt mit Rosshaar und Bindfaden an der Wand (o.T., 1974), die wohl Teil einer der „Feldzeichen“-Aktionen waren. Irgendwie kehrte damals auch der Mystizismus in die Kunst zurück, nur Künstlerinnen bleiben in den zwei Jahrzehnten abseits. Insgesamt zeigt die geschickt installierte Ausstellung 130 Werke von 95 Kunstschaffenden, ich habe immerhin neun (!) Künstlerinnen gezählt. Eine davon war Adelheid Horschik, die unter der Überschrift „Expressive Figuration“ zu sehen ist. Auch sie war Teil der rührigen Wuppertaler Kunstszene um die legendäre Galerie Parnaß.
Durch die konkrete Kunst und Josef Albers Huldigungan das Quadrat oder Victor Vasarelys „Cassiopeia“ von 1957 kommt man dann in bunte Welt des Pop. Klar, hier hängen die Kunstmarktgötter von einst bis heute, Rauschenbergs Collagen, Lichtensteins gemalte Siebdruck-Comics („Crak!“, schießende Frau von 1965) und natürlich eine Wand, heißt zehnmal Mao-Serigrafien von Andy Warhol. Als Antwort zeigt der nächste Raum die radikale Entleerung der Inhalte (Fruhtrunk, Ruthenbeck) und dann sind wir schon bei „Kunst für alle!“ und beim neuen Realismus mit Gerhard Richter („Scheich mit Frau“, 1966), Konrad Luegs Schulbuch-„Boxkampf“ (1964) und Wolf Vostells riesigem „Kennedy von Corham“ (1964). Puh. Nehmen sie sich mehr Zeit als ich und suchen sie auf dem Flur in Inge Mahns „1 Kubikmeter Nachbarschaft“ (1976) den Ausgang.
Zero, Pop und Minimal – Die 1960er und 1970er Jahre | bis 16. Juli | Von der Heydt-Museum, Wuppertal | 0202 563 62 31
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