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Hinter Glas

27. April 2017

Karin Sander im Kunstmuseum Villa Zanders in Bergisch-Gladbach – kunst & gut 05/17

Für die Wiedereröffnung der Villa ist es die ideale Wahl. Zum 25-jährigen Jubiläum des Museums ist es ein Glücksgriff. Und schließlich stammt die ausstellende Karin Sander, die ihrerseits in diesem Jahr ihren 60. Geburtstag feiert, aus dem nahegelegenen Bensberg. Die Villa Zanders meldet sich nach ihrer Renovierung also vorzüglich im öffentlichen Geschehen zurück. Karin Sander nimmt den Dialog mit der Architektur auf. Dabei ist die in Berlin lebende Konzeptkünstlerin eine Meisterin der Reduktion. Berühmt wurde sie vor zwei Jahrzehnten mit dem Abschleifen einer Wandfläche, bis diese spiegelglatt glänzte. Und bekannt wurde sie vor einigen Jahren mit 3-D-Scans von Menschen und Haustieren im Miniaturformat, wobei sie ihren Akteuren weder die Accessoires noch die Körperhaltung vorgab. Identität erweist sich neben der Hinwendung zum Ausstellungsort als roter Faden in Sanders Werk. Und: Oft wird der Ausstellungsbesucher zum Mitspieler, der das Kunstwerk vollendet.

Das gilt jetzt auch für die Villa Zanders. Dort fallen als erstes – als Architektur in der Architektur – die vielen (abschließbaren, zunächst leeren) Vitrinen auf, die den Weg verstellen. Besucher und Mitarbeiter des Hauses können sie als gläserne Schließfächer nutzen, hier ihre Mäntel aufhängen und Taschen ablegen. Hinter dem Glas erhalten die Utensilien gewohnheitsmäßig den Status von Kunst, vorübergehend. Als Relikte des Menschen werden sie zu dessen Stellvertreter und damit zu Porträts, die gerade über das vordergründige Abbild hinausgehen – schon der Grat der Sorgfalt, mit der die Sachen aufgehängt sind, trägt dazu bei. Und könnten sich nicht sogar Situationen einstellen, in denen sich die Besucher gegenseitig die Spinde zuordnen? Aber alles bleibt hier in Veränderung und weist damit auf den Durchgangsverkehr, also das Öffentliche des Ortes hin. Mit dieser Installation nimmt Karin Sander aber auch direkt Bezug zur Sammlung historischer Porträtmalerei, die in den Ausstellungsräumen zu sehen ist. Ein weiterer Beitrag dazu ist, noch im Foyer, ein s/w-Foto, das sie als Kind beim Versuch zeigt, Wasser zu zählen: Als hätte sie damals schon ihre heutigen künstlerischen Aktivitäten geprobt.

Dr. Petra Oelschlägel
Foto: Susanne Schröder

Die Kuratorin

Dr. Petra Oelschlägel ist seit 1993 am Kunstmuseum Villa Zanders und seit 2012 dessen Direktorin. Nach dem Studium der Kunstgeschichte, Germanistik und Politikwissenschaft in Köln arbeitete sie zunächst am Museum of Modern Art in New York


Im ersten Obergeschoss setzt Karin Sander die Auseinandersetzung mit dem Gebäude fort. Die Tapisserie auf dem Boden bezieht sich unmittelbar auf den Grundriss und im Treppenhaus verweist ein lapidares Titelschild auf den neu verlegten Holzboden. Mehr nicht. Indem die Kunst sich selbst zurücknimmt, ja, nur als Hinweis in Erscheinung tritt, macht sie sichtbar, was hier baulich in den letzten Monaten geschehen ist.

Nur wenig mehr lassen die „Haarzeichnungen“ einen künstlerischen Eingriff erkennen. In ihrer Reihung zu Hunderten nehmen sie einen ganzen Flügel der Villa Zanders ein. Sie sind 1998 an drei Orten in drei Ländern entstanden, ohne dass die einzelnen, sachlich gerahmten Blätter dazu weitere Angaben liefern. Wie so oft bei Sander kennzeichnet sie etwas Zartes und Unscheinbares. Dass es sich um Haare handelt, ist sofort vergessen. Sander hatte Freunde und Bekannte um einzelne Haare gebeten. Ein Hintergrund zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Werkgruppe war, dass Haare Informationen über Drogenkonsum tragen. Darüber hinaus enthalten sie Geninformationen und teilen, natürlich, mit ihrer Farbe, Stärke und Glätte Individualität mit: Wie die Vitrineninhalte sind sie anonyme Porträts. Sander hat die Haare als Einzelne auf DIN-A4-Blätter fallen lassen und so fixiert, wie sie liegen geblieben sind. Auf dem weißen Grund aber tritt das Haar als Zeichnung in Erscheinung. Wir registrieren sie als impulsive Geste, sehen organische Verläufe, bei denen Positiv- und Negativkontur umschlagen oder mit abstrahierten Figurationen assoziieren lassen: als Alphabet der Verwandlung einer Linie. Der Bildträger – auch das gehört dazu – ist wiederum Papier, und dieses Medium seinerseits ist ein Sammlungs- und Ausstellungsschwerpunkt hier, vor Ort, in der Villa Zanders: Was Karin Sander macht, hat Hand und Fuß.

„Karin Sander – Identities on Display“ | bis 18.6. | Kunstmuseum Villa Zanders, Bergisch Gladbach | 02202 14 23 34

THOMAS HIRSCH

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