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Zezão, Ausstellungsansicht in der Kunsthalle Barmen
© Zezão, Von der Heydt-Museum, Wuppertal; Reinking Projekte

Von der Straße in das Museum

05. September 2011

Die Street Art-Ausstellung in der Kunsthalle Barmen wird von Aktivitäten in Neuss und Köln flankiert - Kunst 09/11

Die Ausstellung in der Kunsthalle Barmen nähert sich allmählich ihrem Ende. Noch bis 25. September sind die Werke von dreizehn Teilnehmern aus aller Welt zu sehen, die hier gebaut, gesprayed, gemalt, installiert haben, also direkt vor Ort tätig waren. Dies ist eine Frage der Ehre für die Akteure, die nun unter dem Label Street Art und der Sache der Kunst vereint sind. Die Situation der Ausstellung in einem dafür spezialisierten Gebäude stellt freilich Bedingungen. Die Künstler arbeiten sozusagen vor Publikum und signalisieren zugleich, dass ihre Beiträge nicht an ein bestimmtes Milieu gebunden, ja, wenn die Umstände dies zulassen, sogar zu erwerben sind. Das wird schließlich daran deutlich, dass die Ausstellung von Rik Reinking aus Hamburg kuratiert ist, der hierzulande vielleicht beste Kenner dieses Genres, der zugleich Kunstsammler und Kunsthändler ist.

Zu den interessantesten Künstlern der Wuppertaler Ausstellung gehört der 1972 geborene Zezão, der in den armen Vierteln und in der (teils bewohnten) Kanalisation seiner Heimatstadt São Paulo langgezogene, geschwungene Bänder mit Anklängen an Schrift mit Latex-Farbe aufträgt. Zezão formuliert gegen die Taggs der Banden und bringt zugleich einen Ton der Leichtigkeit in die von Gewalt geprägte Umgebung. In seinem Beitrag in Barmen scheinen die eigentliche Absicht und das Extreme der Umstände noch auf – es ist wichtig, den Hintergrund zu kennen, hier wie bei den anderen Teilnehmern. Wie überhaupt alle wahre Kunst aus allen Gattungen hat auch die Street Art ihre Kontexte und Bezüge, aber mehr noch als die anderen Medien verführt sie dazu, sie auf Ästhetik und Virtuosität zu reduzieren.

Die Verwirrung zur Street Art im allgemeinen beginnt im Unscharfen des Namens, der noch der Internationalität des Phänomens geschuldet ist. Neben dem Überbegriff Urban Art gibt es die einzelnen medialen Zuordnungen, wobei Graffiti das Bekannteste und Verbreitetste ist. Zunächst von einzelnen praktiziert, wurde daraus eine ganze Bewegung, die nun allenthalben vereinnahmt wird. Selbst ein Pionier seines Genres wie der Kölner Thomas Baumgärtel, der mit seinen gesprühten Bananen an den Außenwänden von Galerien subversive Kritik am Kunstmarkt geübt hat, wird nun zu einem Mitglied des sanktionierten Kunstbetriebes.

Eine lange, kurze Geschichte

Einerseits ist Street Art etwas, das Spontaneität, plötzliche Reaktion zum Ausdruck bringt, andererseits bedarf sie spezifischer Voraussetzungen und – gerade im Geheimen der Aktion, die schnell durchgeführt werden muss – Vorbereitungen. Sie lebt aus dem Anonymen heraus und in ihren besten Beispielen kommt sie ohne Signatur heraus, wird aufgrund ihres Stils erkannt. Sie entsteht auf ihren Ort hin und aus einer bestimmten sozialen, gesellschaftlichen Situation heraus, in der sie als solche erkannt wird; darin ist sie unmittelbar und im heute und im besten Fall darüber hinaus gültig. Und sie hat ihre Historie und Genese. Man könnte mit den Höhlenmalereien der Frühzeit beginnen, die bereits Botschaften an andere übermittelten. Für unsere Zeit wäre auf den Franzosen Gérard Zlotykamien hinzuweisen, der ab 1963 an die Atombombenabwürfe wie auch die Judenverfolgungen im Dritten Reich erinnerte: Mit Köpfen, die aus einfachsten Strichen gebildet waren und an eingebrannte Schatten denken ließen. Auch der „Sprayer von Zürich“, Harald Nägeli, hatte konkrete Anliegen. Zu Beginn der 1980er Jahre tauchten in Zürich immer neue gesprayte Fische und Skelette auf, wo sie sich gegen die Verschmutzung des Rheins durch die ansässige Chemie richteten. Nägeli, der den Schweizer Behörden zunächst durch seine Flucht nach Deutschland entkam und dort unter anderem in Köln sprayte, saß später doch die gegen ihn verhängte Strafe ab. Heute lebt er in Düsseldorf; seine verbliebenen Figuren in Zürich aber sind heute als Kunst geschützt.

Parallel dazu entwickelte sich eine eigene Graffiti-Szene vor allem in New York, wo schon Mitte der 1970er Jahre ein Anti-Graffiti-Gesetz beschlossen wurde. Vor allem die Graffiti-Künstler im Untergrund der U-Bahn wurden, mit dem Hinweis auf die teils abenteuerlichen Biographien, für den Kunstbetrieb entdeckt. 1982 wurden ihre Protagonisten gar zur Documenta nach Kassel eingeladen. Damit aber sind die Graffiti in der „offiziellen“ Kunst angekommen. Zwar hielten sie sich dort, abgesehen von den Beiträgen etwa von Basquiat und Haring, nur mäßig im Gespräch, schon deshalb weil die Leinwand eben nur bedingt für ihre Technik und ihre Aussage taugt. Aber alle spätere, immer wieder aufflammende Aufmerksamkeit gegenüber der Street Art sollte nicht mehr überraschen. Ihr jüngster Hype geht von London aus, wo der Kunstbetrieb besonders aggressiv ist und die sozialen Verhältnisse extrem schwierig sind. Gerade die dortigen Künstler, die mit ihren teils so feinen, tiefsinnigen und mitunter versteckten Sprühaufträgen gegen das Kapital zu Felde ziehen, werden von diesem und der Spekulation am Kunstmarkt vereinnahmt. Da hilft nur die Verweigerung und der Verbleib in der Anonymität – aber auch das feuert das Geschäft an...

An mehreren Orten gleichzeitig

Während die Wuppertaler Ausstellung eine Momentaufnahme der gegenwärtigen Szene ist, geht jetzt das Kulturforum der Alten Post in Neuss ihrer Geschichte und Aktualität nach. Weiterhin findet, über den September verteilt, in Köln ein Urban Art Festival statt, das noch die Phänomene an den Rändern bedenkt und in Relation zueinander setzt. Das ist verdienstvoll und hip, und natürlich stellt die Ausstellung in der Kunsthalle Barmen ein eindrucksvolles, sehenswertes Resümee dar. Aber jetzt reicht es – um der Sache willen. Street Art wird zur Mode, ist salonfähig. Aber sie schöpft doch ihre Energie und Wirkung aus dem Unerwarteten, nicht Domestizierten, daraus, dass sie sich entzieht, schließlich bei Nacht und Nebel passiert, und man sollte sie jetzt einfach dort lassen, wo sie zu Hause ist: auf der Straße.

Street Art, bis 25. September in der Kunsthalle Barmen des Von der Heydt-Museum in Wuppertal, www.von-der-heydt-kunsthalle.de

outsidein – altpostneu, 11. September bis 13. November in zwei Teilen im Kulturforum Alte Post Neuss, www.altepost.de

Cologne Urban Art Festival, 5.-25. September in Köln, www.cityleaks-festival.com

Thomas Hirsch

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