Im Foyer der Barmenia gibt es eine Stelle, da sieht man mit dem Gemälde von Christian von Grumbkow zugleich ein Bild von Otto Piene, dem Düsseldorfer Zero-Künstler. Die Konstellation ist erhellend: Während bei Piene ein rundes schwarzes Zentrum inmitten der roten Fläche sozusagen explodiert und durch die komplementäre Farbgebung bestimmt ist, fließen die Farben im Bild Grumbkows, ist alles in Veränderung und gibt es gerade keine Form. Links sinkt eine dominante mittelblaue Fläche, rechts hält sich ein gegenläufiges Rot im Bild. Zwischen den Farbnasen schauen die tieferen Schichten hervor, die selbst noch opak sind. Und dabei strahlt das Bild eine Gefasstheit und Ruhe aus, erzeugt einen eigenen Klang. Der Titel dieses Bildes – „Demut“ – passt.
Wie stets bei Grumbkow ist die Malerei selbst autark, sie steht für sich und ist als Atmosphäre und Prozess gleichermaßen präsent. Es geht um Farbe und um deren Auftrag. Mit derartigen Bildern hat sich Christian von Grumbkow schon vor langem etabliert. Er wurde 1946 in Oberhausen geboren, hat an der Werkkunstschule Wuppertal bei Rudolf Schoofs und an der Rietveld-Academie in Amsterdam studiert. Im Anschluss daran war er Gitarrist und Texter der Rockband „Hölderlin“, die von Wuppertal aus landesweit gefeiert wird. Grumbkow selbst zieht sich 1977 ganz aus der Musik zurück, um sich von nun an auf die Malerei wie auch die Kunsttherapie zu konzentrieren.
Im Atelier in Unterbarmen folgen die verschiedenen Werkgruppen – ausgehend von einzelnen Farben und Farbklängen oder bestimmten Verfahren ihres Auftrags – teils rasch, teils allmählich aufeinander. Grumbkow entwickelt sie in der Auseinandersetzung mit der Farbe auf der Leinwand, im Vor- und Zurücktreten, im Gewinn von (zeitlichem) Abstand ebenso wie in der intensiven Vertiefung. Dazu gehört das Verwerfen ebenso wie das Zulassen plötzlicher Farbereignisse. Neben dem Fließen und Sickern, auch dem Abtragen von Farbe, so dass nur noch einzelne Partien stehen bleiben, nimmt Grumbkow immer wieder Maßnahmen des Verwischens vor: Diese Malereien wirken wie „Vorbei- Bilder“ noch ganz in der Bewegung oder wie Naturstücke hinter Nebelbänken. Unterstützt von der Farbigkeit und einer horizontalen Ausrichtung schwingt die Anmutung von landschaftlicher Weite mit. Ohnehin kehrt Grumbkow von Zeit zu Zeit zur eindeutigen Lesbarkeit als Landschaft und Naturerfahrung zurück – seine Bilder transportieren spezifische Gestimmtheiten und sind mit einem Mal gelassen anschaulich, ohne je zu illustrieren. Damit verwandt ist das Motiv des Wassers, noch mit dem Schein der Reflexion von Licht. Aber sind es nicht vielleicht doch erst unsere konzentrierte Wahrnehmung und unser Vorwissen, die aus den Schichten lichtheller Farbe Landschaftsräume „bauen“?
Christian von Grumbkow weist auf eine weitere Konzeption hin, die er immer wieder anwendet: die Setzung breiter Bahnen am linken und am rechten Bildrand. Als „Rahmungen“ erinnert dies an Fensterblicke hinaus aufs entgrenzte Äußere. Dann wieder setzt er im Wechsel horizontale und vertikale Schichten, so dass sich transparente Vergitterungen ergeben. Oder die Farbe fasert in einzelne feine Fäden aus, wird auf diese Weise unfasslich und zuständlich.
Etliche Bilder der jüngsten Zeit beinhalten noch Partien mit Eitempera, die wie Inseln in der Ölfarbe stehen und auf das fließend Glänzende mit ihrer matten Textur reagieren und sozusagen alle Bewegung stoppen.
Dies kennzeichnet auch „Appassionata“, das monumentale Gemälde, das im Eingangsbereich der neuen Hauptverwaltung der Barmenia vor wenigen Monaten eingeweiht wurde. Die fünf Bildtafeln sind fortlaufend auf dem Weg in den Seitenflügel zu lesen. Die eigene Bewegung des Betrachters ist Teil der Erfahrung dieser Malerei. Zugleich ist jede dieser Tafeln als Malhandlung auf die Vertikale hin angelegt. Dominierend sind Rottöne, die Malerei reagiert auf das Tageslicht und gibt dem Raum eine Stimmung, gar eine „Gestalt“ – selbst riesig, nimmt sie ihm etwas von seiner Dominanz und funktionalen Nüchternheit. Motiv und Anlass des Bildes aber ist Farbe, als Prozess auf und mit der Fläche und als Schichtung, als Differenzierung: mit dem Betrachter als Gegenüber, im Dialog mit diesem.
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