Es ist eine riesige Flasche. In ihr befindet sich ein Taucher mit einer Taucherglocke. Sägefische nagen an ihm. Ein Eisenbahnbein und einen Panzerarm haben sie schon freigelegt. Unter dem Taucher befinden sich Gerätschaften und absonderliche Fische. Was zunächst klingt wie in einem Horrorfilm, ist eigentlich ein Graffiti an einem Haus am Hamtorwall.
Der polnische Streetart-Künstler m-city arbeitet mit schwarzer, weißer und grüner Farbe und erweckt so seine Kunstwerke zum Leben. m-city heißt eigentlich Mariusz Waras, ist studierter Grafikdesigner und reist durch die Welt. Dabei verschönert er langweilige Hauswände mit seinen imposanten Wandgemälden. Seine Kunst ist in Paris, New York und Los Angeles zu bewundern, China ist sein nächstes Ziel. Kurator der Alten Post Klaus Richter holte den talentierten Künstler jetzt nach Neuss.
Künstler in Brüssel besucht
Dies erwies sich zunächst schwerer als gedacht. Als Erstes besuchte Klaus Richter ihn während einer Ausstellung in Brüssel, anschließend fuhr er nach Danzig. „Ich war ziemlich hartnäckig“, sagt Klaus Richter und schmunzelt. Das Engagement hat sich ausgezahlt. Vergangenes Jahr nahm m-citiy bereits an einer Schau in der Alten Post in Neuss teil. Die Aktuelle kam dank des Kulturprojekts „Klopsztanga“ zustande.
Seine Entwürfe fertig Mariusz Waras direkt am Computer an. Er zerlegt das Bild in seine Einzelteile, um sie auf Schablonen zu projizieren. Mithilfe der so genannten „Stencils“ sprüht er die collagenartige Wandmalerei an die Wand. Auf zwei Etagen sind nun acht Wandbilder entstanden. An ihnen arbeitete Marius Waras rund zwei Tage, für das große Wandbild an der Hauswand brauchte er ebenfalls achtundvierzig Stunden. „Das geht relativ flott“, erläutert Klaus Richter.
Komplexe Bildszenen
Die Motive sind bei Mariusz Waras immer gleich: Im Wasser tummeln sich Schlangen, Kraken oder obskure Fische, Häuser reihen sich zu einer Stadt und riesige Schiffe bevölkern seine komplexen Bildszenen. Nicht umsonst heißt die Schau „Akwanauta“. Auch die heimische Umgebung beflügelt seine künstlerische Kreativität. Der im polnischen Gdnia geborene Mariusz Waras lebt und unterrichtet in der Hafenstadt Danzig. Wenn er arbeitet, blickt er auf das Hafenbecken mit seinen Schiffen.
Die Bilder vermitteln eine düstere Stimmung, gleichzeitig beinhalten sie historische Elemente. Seine Häuser zeugen von längst vergangenen Zeiten, seine Dampfer segeln pompös wie einst die Titanic über das Meer. Inspiration holt sich Mariusz Waras bei der Stilrichtung „Steampunk“. Einerseits wird eine futuristische Welt geschildert, andererseits dominieren Elemente des viktorianischen Zeitalters in England. Diese Gegensätze vereint Mariusz Waras in seinen Kunstwerken und lässt dadurch etwas vollkommen Neuartiges entstehen.
Platz für Neues
Seine Bildelemente sind eigene Erfindungen, angefertigt ohne Vorlage. Früher arbeite Mariusz Waras nur mit den Farben schwarz oder weiß, heute benutzt er noch eine weitere. In der Alten Post mischt sich noch ein kräftiges Grün in das gesprühte Gemälde. Im September werden die Wände wieder übermalt, die Kunstwerke verblassen dann unter weißer Farbe. Seine Arbeit ist „temporär“, keines der Kunstwerke trägt einen Namen. „Streetart-Künstler sind es gewohnt, dass ihre Werke nicht von Dauer sind“, so Klaus Richter. Hinter dieser Schnelllebigkeit verberge sich auch eine Philosophie. „Die Künstler wollen Platz für neues Schaffen.“ Vollkommen vergänglich sind die Werke dennoch nicht. Alles wird fotografiert und anschließend auf die Homepage gestellt, die Alte Post bringt zusätzlich einen Katalog heraus. Und das Wandbild am Hamtorwall bleibt auch noch eine Weile erhalten.
Alte Post Neuss | Akwanauta | Mariusz Waras | Austellung bis zum 2.09.2012
www.altepost.de
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