An Klaus Rinke kommt man in der Kunst zwischen Rheinland und Bergischem Land nicht vorbei, auch wenn man ihm selbst noch nicht begegnet ist – und ihn unlängst bei der Eröffnung im Von der Heydt Museum verpasst hat. Rinke ist Künstler von Weltrang, viele Jahre mit Wohnsitz in Haan und mit Arbeiten präsent, die anschaulich und demonstrativ sind, komplex und schnell zu erfassen. Ein zentrales Motiv ist das Schöpfen von Fluss- oder Meerwasser in Behälter, so paradox dies zunächst klingen mag. Dokumentiert auf Fotografien, davor die Behälter und mitunter die Schöpfkelle, sind dies Aktionen unter Einsatz des Körpers, in der Auseinandersetzung mit Natur und im Konservieren des Vorübergehenden.
Damit ist einiges über das „Konzept“ gesagt, dem Klaus Rinke seit den 1960er Jahren nachgeht: mit aufwändigen, aber verblüffend einleuchtenden Installationen, mit Objekten zwischen Relikt und Plastik sowie mit subtil variierenden Fotosequenzen. Weiterhin mit dichten Graphitzeichnungen, wahrzunehmen zwischen massiver Materie und Haut. Ganz anders wirken hingegen die starkfarbigen Malereien, die organische Formen zeigen und mitteilen, wie sehr Volumen und Raum in Rinkes Kunst überhaupt eine Rolle spielen.
Geboren im April 1939 in Wattenscheid, hat Rinke 1957-60 an der Folkwang- Schule in Essen-Werden studiert, in den Jahren danach reist er, vor allem auf die griechischen Inseln und durch Frankreich. Er selbst datiert die ersten Fotoarbeiten vom eigenen Körper auf diese Jahre, die „Kykladik-Fotoserie“ (1960). Ab 1965 lebt er in Düsseldorf, einige Jahre arbeitet er mit Monika Baumgartl zusammen. 1980 zieht er nach Haan, 1981 richtet er zudem ein Atelier in Los Angeles ein, wo er bis heute zeitweilig arbeitet. In der Hauptsache aber lebt er mittlerweile in Österreich.
An der Düsseldorfer Akademie hatte Rinke von 1974 bis 2004 eine Professur inne. Dass viele hochkarätige Künstler aus seiner Klasse stammen (Reinhard Mucha, Harald Klingelhöller, Isolde Wawrin u.a.), teilte vor einigen Jahren die Ausstellung „Saldo“ im Kunstmuseum in Düsseldorf mit. Legendär aber ist eine Ausstellung seiner Klasse, als noch niemand diese Künstler kannte: 1978 unter dem Ausstellungstitel „Wppt“, und zwar in der Kunsthalle Barmen.
Los Angeles ist für Rinke der Ort der Kakteen, die er dort züchtet. Dass er schon 1957 ein „Stilleben mit von der Großmutter geerbtem Kaktus“ gemalt hat, hat etwas Prophetisches. Die Kakteen werden zu Metaphern für Widerstandsfähigkeit und die Beschäftigung mit Zeit und den Phänomenen der Natur. Was die Zeit betrifft: Rinke arbeitet ganz direkt mit standardisierten Uhren. So errichtet er 1986/87 anlässlich der Bundesgartenschau ein „Zeitfeld“ aus 24 Uhren im Düsseldorfer Volksgarten, direkt an der Bahnlinie. „Lebensunmittelbarkeit“ wird Jürgen Harten später über Rinkes Haltung, das Ineinandergehen von Kunst und Leben, mit dem (eigenen) Körper als Maß aller Dinge schreiben. Rinke selbst spricht bei seinen frühen Werkgruppen von „Primärdemonstrationen“ und „Skulpturalen Handlungen“: Davon dass er das Leben in die Kunst holt. Hinreißend muss die Eröffnung einer Ausstellung im Kunsthaus Zürich 1979 gewesen sein, wie ein Foto verrät: Während Rinke in einem leicht überlebensgroßen, ganz mit Wasser gefüllten Glaszylinder in Arbeitsklamotten tauchte und durch einen Schlauch atmete, versuchte die Eröffnungsrednerin Erika Billeter im Kostüm sich krampfhaft auf ihren Vortrag zu konzentrieren: die „Unterwassereröffnungstauchaktion“.
Rinke konfrontiert und nimmt dafür Räume in Beschlag, und so war es konsequent, dass seine Ausstellung im Herbst 2004 in Wuppertal sowohl im Museum als auch in der Kunsthalle Barmen stattfand.
Jetzt hält er abermals im Von der Heydt Museum Einzug, in einem eigenen Raum im zweiten Obergeschoss. Nur kommen seine Arbeiten diesmal aus dem Bestand des Museums selbst. Ein Glücksfall für Wuppertal: Im vergangenen November konnte das Museum dreizehn Arbeiten mit Mitteln der Von der Heydt-Stiftung, der Kunststiftung NRW und der Staatskanzlei erwerben. Und dass nun innerhalb der Ausstellung „Privat – Wuppertaler Sammler der Gegenwart“ der einstige Zusammenhang zur Sammlung von Gustav Adolf und Stella Baum hergestellt wird, ist ein weiterer Anlass, auf diese Arbeiten hinzuweisen. Und auf die Ausstellungen im Museum. Auf das Engagement einzelner Sammler und einzelner Künstler für das kulturelle Klima in Wuppertal. Als Verantwortung für die Stadt.
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