Die Handlung passt zum Ort, dem Kasinokreisel in Elberfeld. Im rauschenden Verkehr mit den ins Büro hastenden konformen Angestellten, vis-à-vis die Deutsche Bank, stockt seit letztem Herbst jede Bewegung: Auf einem Sockel macht ein austrainierter, tadellos gekleideter Teilhaber unserer Verwaltungen einen Handstand, den Aktenkoffer neben sich abgestellt, der Anzug sitzt tadellos. Siegermentalität kommt zum Ausdruck, Lockerheit wird zelebriert und konfrontiert in einem extra platten Realismus mit einem erfolgreichen Alter Ego. Zumal infolge der Bankenkrise schwingt aber noch ein anderer Ton mit, der zusätzlich bewirkt, dass dieses Kunstwerk trotz seiner Filigranität und seines „gewöhnlichen“ Look kaum aus dem Kopf geht – das ist seine Leistung an diesem Ort. Dieses Denkmal auf den (anonymen) Werktätigen heutiger Tage, durchaus in der Tradition des sozialistischen Realismus, stammt von Guillaume Bijl.
Bijl, der 1946 in Antwerpen geboren wurde und seit einigen Jahren an der Kunstakademie Münster lehrt, „mischt“ mit derartigen Interventionen aus Kitsch und konzeptueller Konsequenz den öffentlichen Raum „auf“. Schon 1992 hat er auf der documenta in Kassel in den Vitrinen eines Kaufhauses ein Wachsfigurenkabinett zur Geschichte dieser Kunstausstellung ausgebreitet.
Initiator (und Finanzier) nun des Handstand-Mannes ist die Stiftung Kunst, Kultur und Soziales der Sparda-Bank West mit Sitz in Düsseldorf. 2004 gegründet, stammen von ihr wahrhaft heldenhafte Ideen schon allein in Wuppertal. Sie hat den Nachlass des Velberter Malers Eugen Batz erworben und kompetent aufgearbeitet und die Präsentation seiner Fotografien in der Galerie Epikur unterstützt und weiterhin die Ausstellung von Tamara Grcic in der Kunsthalle Barmen gefördert. Ganz wichtig war das Benefizkonzert zu Gunsten des Deutschen Kinderhospizvereins. Auch in diesem Herbst soll ein solches Konzert stattfinden, in der Wuppertaler Stadthalle. Der Coup für die Kunst aber ist der Sparda-Kunstpreis NRW, der jedes Jahr an eine andere Kommune vergeben wird und für 2008 der Stadt Wuppertal zugesprochen wurde. Gemeinsam mit der Stadt wurde der Kasinokreisel als geeigneter Ort für ein Kunstwerk ausfindig gemacht. Mit der Entscheidung der Jury für Bijls Beitrag (der ja irgendwie auch die Rolle des Geldinstituts anspricht) wird zugleich eine Diskussion über Kunst im öffentlichen Raum angestoßen. Wie sieht ein Denkmal heute aus, ist eine der Fragen, die Bijl aufwirft. Wie nehmen wir im Vorübergehen wahr. Und so sehr einem der bronzene Handstand-Mann auf die Nerven gehen mag – die Inszenierung funktioniert. Dies wird erst recht deutlich, wenn man das Denkmal für Else Lasker-Schüler von Stephan Huber wenige Meter entfernt entdeckt, an dessen Mosaik der Zahn der Zeit gekratzt hat. Verborgen bleibt, was für eine großartige Persönlichkeit diese Schriftstellerin war, die in Elberfeld geboren wurde und 1945 verarmt im jüdischen Exil gestorben ist ... Heute ist die Zeit der schnittigen, austauschbaren Protagonisten mit dem Dauergrinsen, die nur den eigenen Erfolg im Kopf haben.
Auch von Heinrich Heine kann man das nicht behaupten. In Wichlinghausen, im (leerstehenden) Kiosk am Viadukt neben der Grundschule, wurde am 28. März eine Intervention eingeweiht, die auf seinen Namen lautet: mit einem Referat über Heinrich Heine und dem Vortrag seiner Texte. Versetzt über dem Kiosk findet sich ein gleichnamiges Reklameschild wie eingepasst in den Ausschnitt des Viadukts. Die Brisanz der Arbeit belegt dann die Installation im Kiosk, die von Boris Meißner stammt. Alles Mobiliar ist weiß verhüllt, zu sehen aus der Distanz der Glasscheibe, Momente des Verlassenen und Vernutzten spielen zusammen. Das aber ist signifikant für Teile von Wichlinghausen. Auf dem Weg zu der Druckwerkstatt des BBK in der Wiescherstraße oder zu den Ateliers der Kunstfabrik befindet sich mittlerweile der triste Leerstand aufgelassener Geschäfte, wozu auch die Schreinerei von Heinrich Heine gehört ... Sowohl der Beitrag von Bijl als auch der von Barbara Held und Boris Meißner fügen sich in ihre Umgebung ein, scheinen kaum Kunst zu sein und wirken umso subversiver, nachhaltiger – dabei handelt es sich im ersten Fall um geförderte Kunst hin zur Repräsentation, und im zweiten um viel ehrenamtliche Initiative noch im Sinne von Stadtteilarbeit. Beides ist großartig, aber die Stadt selbst darf sich nicht aus der Verantwortung ziehen, im Gegenteil sollte sie dies als Aufforderung verstehen. Und zudem auf die hier nun aufgeworfenen Fragen eingehen. Manchmal könnten auch alle drei „Kräfte“ zusammenfinden
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