Ist das schon so lange her? Bereits vor dreieinhalb Jahren hat Klaus-Martin Treder seine Bilder bei den Grölle pass:projects in Elberfeld gezeigt. Vielleicht sind Treders Malereien deshalb so stark in Erinnerung, weil sie ganz radikal mit der Malerei und deren Möglichkeiten umgehen und die Aktualität dieses Mediums hinterfragen. Treder macht aus Malerei, was man nicht macht. Er gießt die Farbe – sozusagen industriell, ohne Gestus also – auf den Bildträger anstatt sie mit dem Pinsel aufzutragen. Den Pinsel wiederum verwendet er, um flüssige Farbe auf eine Plane zu schleudern, womit er übrigens das Dripping von Jackson Pollock zitiert. Denn später löst er die Flecken wieder ab und fügt sie in das Bildgeschehen ein. Dann wieder ragen die Farbgespinste als weiche Materie über die Leinwand hinaus oder setzen sich seitlich an der Ausstellungswand fort, als gäbe es für das Bild kein räumliches Ende. Und Klaus-Martin Treder hat kleine Kunststoffdinge in die noch feuchte Farbschicht gedrückt, wo sie wie Zivilisationsmüll nach einer Flut wirken. Sie bringen den Alltag in die Kunst. Eine Kaffeebohne, die er über die Farbfläche gerollt hat, hinterlässt eine ungelenke Spur, an deren Ende sie sich selbst befindet. Aber das Krude geht mit der Eleganz einher. Feine Härchen inmitten der Farbe wirken plötzlich wie Rauch oder ein Schwarm Vögel, gesehen aus weiter Ferne am Himmel. Treder nähert sich vom Gegenstandsfreien, das innerhalb seiner Generation vom Neo-Geo geprägt ist, hin zum Gegenständlichen und sogar Erzählerischen. So „schnell“ diese Malerei ist, so überlegt ist sie doch, mithin sogar komponiert und in den verschiedenen Schritten vorbereitet.
Klaus-Martin Treder wurde 1961 in Biberach geboren, er hat an der Kunstakademie Stuttgart bei Rudolf Schoofs studiert und lebt heute in Berlin. In den letzten Jahren hatte er Einzelausstellungen vor allem in Museen und Kunstvereinen in seiner süddeutschen Heimat und war daneben international zu Themenausstellungen zur Malerei und deren Gültigkeit in heutiger Zeit eingeladen. Treder legt in seinen Bildfindungen die Bestandteile der Malerei und ihres Vorgangs offen, er verschleiert nichts. Diese Direktheit kennzeichnet nun auch seine neuesten, bei Jürgen Grölle ausgestellten Bilder. Der Titel der zentralen Werkgruppe „Color Garden“ ist Programm. Jede der Tafeln verfügt über eine gesättigt plakative monochrome Farbigkeit, die das Ganze, auf das menschliche Maß bezogene Bild umhüllt. Appliziert sind vorgefundene Gegenstände – etwa Kappen und Abdeckungen – teils in verwandter Farbe, teils im komplementären Ton, aber doch so, dass sie unaufdringlich, ja, selbstverständlich wirken.
Im Gegensatz zu den früheren Bildern sind die Darstellungen lakonischer, und doch sind sie verblüffend: So einfach kann Malerei sein, so viel lässt sich im Detail beobachten und schließlich miteinander vergleichen. Diese Werkgruppe – die einerseits seriell wirkt, andererseits sich gerade darin nicht erschöpft und im Übrigen auch anders gehängt werden kann – hat in ihrer Buntheit etwas quietschiges. Andererseits bleibt Treder so nüchtern, dass die Bildfolge an die Streifen der Konkreten Kunst denken lässt. Jürgen Grölle, Galerist und selbst renommierter Maler, verweist noch auf Verwandtschaften zum All-Over, zur monochromen Bildfläche und zur Farbfeldmalerei – also zu Neuerungen der Malerei nach 1945, die jetzt bereits in eine Tradition einbiegen. Alles richtig und hilfreich. Aber sind diese Bilder schlussendlich Windstille oder Provokation? Klaus-Martin Treder bewegt sich zu beiden Polen gleichzeitig hin, aber so, dass das Pendel augenblicklich von der einen Richtung in die andere umschlagen könnte. Und das ist ziemlich anregend.
„Klaus-Martin Treder – Who gives a key, and why?“ | bis 17.1. | Grölle pass:projects | 0173 261 11 15
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