Am Anfang steht der Einspruch dagegen, dass die Architektur der 1950er und 60er Jahre kalt und grau gewesen und die autogerechte Stadt ein menschenfeindlicher Wahnsinn wäre. Vielmehr sei die Nachkriegsmoderne doch ebenso verspielt, raffiniert und erfinderisch. Eine Künstlerin, die diese Klarstellung mit Leidenschaft vertritt, ist die in Düsseldorf lebende Julia Zinnbauer. In ihren Filmen, Modeentwürfen, Collagen und Fotografien thematisiert sie die Verwobenheit und Differenziertheit dieser Ästhetik in der Gesellschaft und opponiert gegen ihre zunehmende Zerstörung in den Großstädten.
Vor dem Hintergrund des 100. Geburtstags des Düsseldorfer Architekten Paul Schneider von Esleben und einer Ausstellung zu dessen Schaffen im Sparkassenforum, wurde Julia Zinnbauer nun von Jürgen Grölle eingeladen, dazu in seiner Galerie eine Schau zusammenzustellen. Die von ihr ausgewählten Künstler gehören überwiegend einer Generation an, die noch mit der Ästhetik der Nachkriegsmoderne aufgewachsen ist und sie mit Röntgenaugen wahrnimmt. In der Ausstellung an der Friedrich-Ebert-Straße kommt dies zum Glück – oder besser: dank der Qualität der Beiträge – niemals illustrierend oder gar nostalgisch rüber.
Gleich am Eingang hängen Zeichnungen von Lothar Götz. Götz, der heute in London lebt, ist mit seinen abstrakt konstruktiven, für ihren jeweiligen Ort konzipierten Wandmalereien international etabliert. Seine Bildzeichnungen, die Geflechte und Verzahnungen von Farbfeldern als Klang und dessen Echo zeigen, sind Linie und Ordnung und in der kristallinen Auffächerung doch dreidimensionale Erfahrung. Damit und in ihrer pastellfarbenen Tonigkeit tangieren sie architektonische Strukturen. Dies vertiefen dann die Wandarbeiten von Bert Didillon. Didillons Werke sind die vielleicht lapidarsten Beiträge der Ausstellung. Wunderbar ist ihre feine Nuancierung und versteckte Genauigkeit in der Schichtung auf der Fläche. In ihrer monochromen Kargheit sind sie opulent, dabei von leichter Hand komponiert. Und in ihrem Interesse für Textur, Raster und Rhythmus lenken sie den Blick auf das leicht Übersehene im Stadtbild.
Alekos Hofstetter wiederum tritt bei seinen Beobachtungen urbaner baulicher Phänomene einen Schritt zurück. Er bezieht sich, auch bei den gemeinsamen Gouachen mit Florian Göpfert, ganz direkt auf architektonische Entwürfe von Schneider Esleben. Die Isolierung der baulichen Außenform mit ihrer Binnenrasterung hat er dann mit Chris Dreier gemeinsam. Dreiers Medium ist die Lochkamera. Diese vermittelt in ihrer schwarz-weißen Tonalität die Impression vergangener Zeiten und eine inhaltliche Fragilität. Das deutet sich nun auch bei ihren Aufnahmen der Rathaustürme in Marl an. Indem sich die seriellen Fensterreihen steil in die Höhe recken, kommen die Stabilität dieser Funktionsbauten und ihre Präsenz in und über der Stadt zum Ausdruck. Als Gemeinschaftsarbeit mit Gary Farrelly, der sich in seinem eigenen Werk bevorzugt der Anlage von Flughäfen zuwendet, zeigt sie zudem ein Video zum Sparkassenturm am Islandufer, der ebenfalls von Schneider Esleben entworfen wurde.
Auch Julia Zinnbauer ist mit einem Film vertreten. Sie inszeniert aus der Montage von Gebäuden an verschiedenen Orten eine künstliche, mithin ideale Stadt. Und da ist noch als weiterer künstlerischer Beitrag ihr Entwurf eines Kleides, das sich mit seinen Schwüngen noch – wie sie selbst sagt – „auf die sich überschneidenden Linien von Autobahnbrücken“ bezieht und damit unter anderem die autogerechte Stadt thematisiert. Natürlich wäre Weiteres zu dieser Ausstellung, an der noch andere Künstler beteiligt sind, zu sagen. Immer geht es um Substanzielles zum Zustand der Stadt auf dem Fundament der Nachkriegsmoderne. Um die Gleichzeitigkeit von Erinnerung und Gegenwart, direkt vor der Haustür.
„Heimatplan. Brutalismus und die Architektur der Nachkriegsmoderne“ | bis 13.3. | Grölle pass:projects | 0173 261 11 15
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