Der Kunstpreis „junger westen“ 2013 in der Kategorie Malerei steht fest: Nach intensiver Diskussion entschied sich die Jury einstimmig für Florian Meisenberg. Der Künstler (Jahrgang 1980) wurde in Berlin geboren, studierte an der Kunstakademie Düsseldorf, in der Klasse von Peter Doig und lebt derzeit in New York und Düsseldorf. Er kann auf Einzelausstellungen in London, New York, Berlin und München zurückschauen. Der Kunstpreis „junger westen“ wird seit 1948 alle zwei Jahre als Förderpreis für Bildende Kunst von der Stadt Recklinghausen vergeben. Er erinnert an die 1948 in Recklinghausen gegründete Künstlergruppe „junger westen“. Der Kunstpreis ist mit 10.000 Euro dotiert, Förderer ist die Kulturstiftung der Sparkasse Recklinghausen. In diesem Jahr beteiligten sich insgesamt 804 Bewerber mit 2.925 Arbeiten am Wettbewerb. Teilnehmen konnten Künstler und Künstlerinnen, die ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben, ab Jahrgang 1978 einschließlich.
engels: Der Preisträger malt Nasen, Phantasietiere und komische Bilder mit sexuellen Posen – was ist heute noch von der Gruppe „junger westen“ zu spüren?
Dr. Schwalm: Von der Künstlergruppe „junger westen“ lebt niemand mehr. Der letzte Überlebende Thomas Grochowiak ist 2012 verstorben. Was geblieben ist, ist der Name in Form des Kunstpreises. Wobei auch Tote durchaus lange Schatten werfen. Die Gruppe „junger westen“ hat sich ja schon 1962 endgültig aufgelöst und jeder hatte seinen individuellen Weg gefunden und ist den auch weiter gegangen. So gesehen war die Gruppe der Geburtshelfer für die einzelnen künstlerischen Karrieren. Aber die Gruppe hat es geschafft, die zeitgenössische Kunst auch in einer kleinen Stadt wie Recklinghausen zu etablieren. Die Kunsthalle ist ja hier wie von einem anderen Stern eingebrochen. Man hatte in Recklinghausen nur ein kleines Heimatmuseum, das hat sich zwar damals schon auch um zeitgenössische Kunst bemüht, aber es war kein richtiges Ausstellungsterrain. „junger westen“ hat es immerhin geschafft, hier ein Haus zu etablieren und man hat die Kunsthalle lange Zeit als ein verlängertes Wohnzimmer verstanden. So hat es hier ein Sprachrohr gegeben und dieses Sprachrohr existiert nach wie vor.
10.000 Euro sind kein Pappenstiel. Ist das die Ursache für 800 Bewerbungen?
Der Kunstpreis „junger westen“ wird alle zwei Jahre ausgeschrieben und dann immer gattungsspezifisch. In diesem Jahr war es Malerei, in zwei Jahren werden es die grafischen Techniken und zeitgenössische Fotografie, also Arbeiten auf Papier sein. Und in vier Jahren dann wieder Bildhauerei und Installation. Die Einsendungen sind bei Malerei doppelt so hoch wie bei Bildhauerei oder Installation, vor zwei Jahren hatten wir knapp unter 400 Einsendungen und jetzt sind es 800. Der Preis, immerhin der älteste kommunale Förderpreis Deutschlands und nach dem Zweiten Weltkrieg 1948 etabliert, hat sich doch in den Köpfen von Künstlerinnen und Künstlern festgesetzt. Das ist, wenn man sich umhört und nachfragt, immer noch ein wichtiger Kunstpreis, wenngleich Kunstpreise mittlerweile ja inflationär sind.
Wie hoch war denn das erste Preisgeld 1948?
Das erste Preisgeld betrug 1.000 DM. Und weil das jeder gebrauchen konnte, wurde der Preis gleich gevierteilt, also jeder Künstler erhielt damals 250 DM. Damit konnte man schon einiges bewerkstelligen oder sich zumindest die nötigen Materialien kaufen, die ja noch sehr rar und teuer waren. Das ist dann sukzessive gestiegen.
Es bewerben sich viele junge Künstler, aber sehen wir auch junge Kunst?
Ja, sehen wir. Wenn man die 804 Bewerbungen durchsieht, kommen sie aus allen Ecken der Republik. Es gibt natürlich einen Schwerpunkt, Nordrhein-Westfalen mit seinen beiden Kunstakademien Düsseldorf und Münster. Es sind viele Akademieabgänger, die sich bewerben, der ein oder andere Autodidakt ist auch dabei, aber es ist ja auch ein Förderpreis. Sie dürfen nicht älter als 35 Jahre sein, ansonsten ist es sehr offen.
Es ging einmal um das moderne Lebensgefühl. Warum hat Florian Meisenberg gewonnen?
Das moderne Lebensgefühl war eines der Schlagworte mit denen Franz Große-Perdekamp versuchte, „junger westen“ auch ideologisch zu fassen. Er war ja angestochen von Josef Albers, seinem Jugendfreund, und für die Idee des Bauhauses begeistert. Ihm schwebte gewissermaßen die Gründung einer Künstlergruppe vor, die sich eng an das Bauhaus anlehnt, und im Grunde aus der Tradition zeitgenössisch operieren sollte – zukunftszugewandt. Das war nach 1945 ein ganz wichtiges Moment. Florian Meisenberg hat seinen ersten Meriten schon während des Studiums bei Peter Doig an der Düsseldorfer Kunstakademie erlangt, mit sehr opulenten Malereien, die sich deutlich absetzen von anderen Dingen, und hat sich im Grunde sukzessive auch wieder neu erschaffen. Mittlerweile sind seine immer sehr großformatigen Arbeiten – 250 x 240 cm – sehr reduziert, ich will nicht sagen minimalistisch, denn das sind sie nicht. Sie sind immer noch figurativ, also gegenstandsbezogen, auch wenn es nur eine einfache Hose ist, die wie ein Scherenschnitt auf einer nicht grundierten Leinwand klebt. Ich glaube, dass der Mut, radikal einfach zu arbeiten, auch von der Jury honoriert wurde. Und wenn man schaut, fallen seine Sachen auch aus der Präsentation, die er ja selbst vorgenommen hat. Großformatige Bilder auf einen Pfeiler zu hängen, würde sich so ohne weiteres kein Kurator trauen oder nur mehr nach Rücksprache.
Mit 34 Jahren auch seine letzte Chance ...
Ja. Michael Sailstorfer hatte sich ja – und das geht nicht häufig – für Bildhauerei sogar zwei Mal beworben. Er war jetzt vor zwei Jahren 35 Jahre alt, als er ihn gewonnen hat. Schon beim ersten Mal war er schon so einer, wo man merkte, das ging hoch. Leider war unser Ankaufsetat damals nicht so groß, ich hatte mir schon eine Arbeit von ihm ausgeguckt – damals noch in DM. Heute müsste man das zehnfache auf den Tisch legen.
Wer bestimmt die Juroren?
Die Juroren werden seitens der Kunsthalle bestimmt. Es gibt einige geborene Mitglieder der Jury, also der Kunsthallendirektor, der Bürgermeister und der Vorsitzende des Kulturausschusses. Da geht es auch darum, Vertreter aus Politik und Verwaltung – es ist ja ein kommunaler Kunstpreis – mit in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. Und dann schauen wir seitens der Kunsthalle, dass immer ein ehemaliger Preisträger in der Jury ist, dass die Kunstakademien vertreten sind, und Kolleginnen und Kollegen möglichst bundesweit. So dass wir schon versuchen, eine möglichst objektive Jury zu kreieren. Es sollten immer so sieben Mitglieder sein und sich aus diesen Quellen speisen.
Kunstpreis „junger westen“ | Preisträger Florian Meisenberg und 17 weitere Bewerber | bis 2. Februar | Kunsthalle Recklinghausen
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