Vorhang auf für Peter Paul Rubens! Die Inszenierung im Von der Heydt-Museum orientiert sich am Thema der Ausstellung, kündigt Pracht an und teilt die Nähe der Malerei zu Hof und Gesellschaft mit. Vielleicht ist das die Leistung dieser Ausstellung: Sie verdeutlicht, dass es um mehr geht, als „nur“ großartige Bilder dieses herausragenden Barockkünstlers und Giganten der Malerei zu zeigen. Sie stellt Rubens als Künstler vor, der mit seinem Renommee als Maler an den europäischen Höfen hoch angesehen war und im Auftrag der Habsburger als Diplomat reiste, um auf die Einstellung der Kriege des 17. Jahrhunderts hinzuwirken und den Dreißigjährigen Krieg zu verhindern. Mit seinen Bildnissen porträtierte er die Regenten der führenden Höfe, und in seinen christlichen und antiken Allegorien mahnte er dezent – aber für das damalige Publikum durchaus verständlich – die Verantwortung für den Frieden an.
Das Von der Heydt-Museum zeigt nicht die mächtigen stürzenden Frauenleiber, mit denen Rubens bekannt geworden ist, die in seinem Werk tatsächlich wichtig sind und unsere Vorstellung des „Barocken“ mitprägen. Die Ausstellung wendet sich vielmehr dem Hofmaler und dem Maler von Jagdszenen, dem metaphorischen Künstler und Chronisten politischer Verhältnisse zu. Sie zeigt, wie sich die politischen Missionen von Rubens, der ab 1623 für den spanischen Hof Friedensverhandlungen mit den nördlichen Provinzen führte, in seiner Malerei widerspiegeln. Und sie verdeutlicht schließlich doch, worin das Außerordentliche seiner Malerei liegt. Rubens fasst die Figuren geradezu als Farbmaterie. Die Körper verschmelzen und heben sich in ihrer Modellierung voneinander ab. Das Fließende, Feinnervige des Pinselduktus ist dadurch gesteigert, dass er meist auf Holz malt. Aber die Kunst von Rubens ist präzise beobachteter Realismus von immenser Innigkeit, welche den Akteuren im Bild Individualität und Emphase verleiht. Zugleich schafft Rubens Plastizität und Raum, er arbeitet mit Verschattungen und Faltenwürfen, betont jeden Muskel am Körper, setzt Lichtreflexe und staffelt die Figuren hinter- und aufeinander. Er komponiert mit Diagonalen und aktiviert so das gesamte Bildformat. Folglich sind die meisten seiner Darstellungen mit einer inneren Dramatik aufgeladen, erst recht, wenn es sich um biblische Szenen handelt – etwa die Kreuzigung Christi oder die Schilderung christlicher Wunder. Die Akteure und die Zuschauer im Bild sind gestenreich erfasst, teils sind sie in Verzückung festgehalten. Licht bricht sich eine Schneise und vermittelt zwischen himmlischer und weltlicher Sphäre. Natürlich hatten schon diese Gemälde einen Auftrag, sollten aufrüttelnd wirken und riefen zum christlichen Innehalten auf.
Auch wenn das Kleinformatige der meisten Gemälde dieser Ausstellung unspektakulär wirkt, so vermittelt sich doch auch hier Rubens’ Gespür für eine wohldosierte, unabgelenkte Dramatik, etwa in den antiken Szenen und den Jagdschilderungen, die den Augenblick des Erlegens zeigen. Andererseits sind da die stillen, gleichwohl immer mit Leben erfüllten Porträts der herausragenden Persönlichkeiten seiner Zeit in Europa – Rubens hatte wie kein Zweiter Zugang zu den Entscheidungsträgern und Repräsentanten der mächtigen Höfe.
Einzigartig in der Malerei
Peter Paul Rubens wurde 1577 in Siegen geboren; seine Eltern waren dorthin aus Antwerpen geflohen, um dem Vorwurf des Calvinismus zu entgehen. Nach dem Tod des Vaters kehrte die Mutter 1589 mit den drei Kindern wieder nach Antwerpen zurück, wo Rubens eine Karriere als Maler anstrebte und schnell im Austausch mit den klügsten Köpfen stand. Schon 1598 wurde er in die Lukasgilde – die Zunft der Maler – aufgenommen. 1600 bis 1608 hielt er sich in Italien auf, konnte seine Ausbildung im Studium der italienischen Meister vervollkommnen, von denen er sich wieder emanzipierte, und wurde Hofmaler in Mantua. Bereits 1603/04 war er im diplomatischen Dienst in Spanien. Bald nach seiner Rückkehr nach Antwerpen wurde er Hofmaler des Statthalterpaares in Brüssel. Rubens war so angesehen, dass er mit seiner Werkstatt in Antwerpen bleiben konnte – gerade hier hat er viele Aufträge auch für die Kirche ausgeführt. 1640 stirbt er, hochgeachtet und überaus präsent in Antwerpen. Die Anzahl seiner Meisterwerke war indes nur möglich, weil er die besten Meister als Spezialisten hinzuzog, darunter Anthonis van Dyck: ein Verfahren, das absolut legitim war.
Die Ausstellung im Von der Heydt-Museum zelebriert jedes Bild als Meisterwerk und bleibt in ihrer großzügigen und pointierten Präsentation anregend. Deutlich wird, wie sehr Rubens die Sache des Friedens und die Idee eines vereinten Europas am Herzen lag und sich durch sein bildnerisches Werk zieht. Als Ausstellung ist das verdienstvoll und unbedingt sehenswert, auch wenn man schließlich doch etwas von den wuchtigen Monumentalmalereien vermisst. Andererseits, eine Rubens-Ausstellung ist keine Sache der Menge der Bilder, sondern der Präzision.
„Peter Paul Rubens“ | bis 28.2. | Von der Heydt-Museum | www.von-der-heydt-museum.de
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