Unter den Künstlern ist der Ruf außerordentlich. Die Bergische Kunstausstellung gilt als jährliche Leistungsschau der jüngsten Künstlergeneration, bei der sich alle Beteiligten von ihrer besten Seite präsentieren. Sie ist Bestätigung und Forum für Neuentdeckungen und Plattform der avancierten Kunst mit Schwerpunkt auf dem Geschehen in Düsseldorf. Aber sie berücksichtigt ebenso Künstler aus der näheren und weiteren Ferne. In diesem Jahr waren noch Absolventen der Akademien in Münster und Dresden vertreten, verblüffenderweise stammten gleich drei der dreizehn Künstler aus der Akademie in Braunschweig. Beworben hatten sich für die diesjährige Ausstellung, die Ende August schloss, 350 Künstler. Die wechselnde Jury besteht aus fünf Kuratoren, Kulturvermittlern der Umgebung, die objektiv ihre unterschiedlichen Präferenzen einbringen.
Initiator der Ausstellung war das Kunstmuseum Baden in Solingen, weitere Werke aller Künstler wurden in der Städtischen Galerie Remscheid gezeigt: ein vertiefender Einblick, der die Region zusammenschließt und beiden Häusern und den Künstlern zugute kam. Vor allem ist die Bergische Kunstausstellung demokratisch, sie berücksichtigt alle künstlerischen Medien – weshalb nun Malerei, Plastik, Fotografie, Video, Installation und Zeichnung zu sehen waren. Die Künstler wurden in Solingen jeweils für sich gezeigt, durch die Raumkonstellationen und die Durchblicke ergaben sich zudem Dialoge. Etwa von Vera Lossau mit Heiko Räpple wie auch indirekt mit Valerie Krause, deren Arbeiten im gegenüberliegenden Raum mit den Wandstücken von Alexander Esters präsentiert waren.
Vera Lossau ist eine seltene Künstlerin, und auch wenn sich ihre Arbeiten meist auf Tagtägliches beziehen, entziehen sie sich doch der schnellen Lesbarkeit. Sie sind in unterschiedliche Richtungen hin verschlüsselt, bleiben gleichermaßen intuitiv und analytisch. Vera Lossaus Kunst ist die der Möglichkeiten, die verschiedene Medien vereint und traditionelle mit neuen Verfahren konfrontiert und Banales mit Motiven der Kunstgeschichte, profanen Witz mit komplexer Symbolik auflädt. Erfahrungen mit fernen Kulturen fließen ein, und die Installation, die nun im Museum in Solingen hängt, lehnte, lag, erscheint wie ein Resümee ihrer Arbeit der letzten Jahre – sie war barock und sparsam zugleich – vielleicht der beste Beitrag dieser Ausstellung.
Etwas ganz anderes war die dreiteilige Folge querformatiger Pastellzeichnungen auf Papier, die von der in Düsseldorf lebenden Amerikanerin Vanessa Conte stammt. Ihre „Geschichte des Lebens, erzählt von einer Molluskel“, bei der sich realistische Schilderung und Ornament durchdringen, erwies sich als permanentes Strömen zwischen Traum und Versatzstücken der Natur, als Sog des Erzählens, surreal und recht klar.
Teil der Ausstellung ist der Bergische Kunstpreis, den in diesem Jahr, von der Deutschen Bank gestiftet, Heike Kabisch erhalten hat; abschließend wurde noch ein Publikumspreis verliehen. Heike Kabisch wurde 1978 geboren, sie hat in Münster bei Katharina Fritsch studiert. Mit ihr war die figurative Skulptur in der Bergischen Kunstausstellung vertreten. Ihre plastischen Bilder, die an Motive des absurden Theaters erinnern mögen, sind geheimnisvoll, vielleicht auch weil das Inventar, das ihre weißen, immer gleichen weiblichen Gipsfiguren in der Ausstellung umgibt, so alltäglich und vernutzt ist. Heike Kabisch inszeniert ein elementares Zurechtfinden in der Welt, an der Grenze zur Einsamkeit. Natürlich ist es hilfreich, dass weitere Arbeiten aller Künstler in Remscheid zu sehen waren. Und dass Heike Kabisch parallel dazu noch im KIT am Mannesmannufer in Düsseldorf ausstellte; und dass Valerie Krause in der Artothek in Köln und Vera Lossau bei Rupert Pfab in Düsseldorf Einzelausstellungen hatten ... zeigt einmal mehr, wie nahe die Bergische Kunstausstellung auch in diesem Jahr am aktuellen Kunstgeschehen war.
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