Die Stadtsparkasse bleibt auch mit Gunther Wölfges als Vorstandsvorsitzenden ihrem kulturellen Auftrag verbunden. Wie wichtig das Sparkassenforum für das Wuppertaler Kulturleben ist, bestätigt die von Frank Ifang organisierte und von Peter Klassen kuratierte Ausstellung mit Sylvie Hauptvogel, Matthias Neumann und Dietmar Wehr. Alle drei Künstler sind in Wuppertal tätig, sie kennen sich schon lange, tauschen sich untereinander aus und alle drei arbeiten mit dem Medium Fotografie. Aber da geht es schon los: Sylvie Hauptvogel ist derzeit in anderen künstlerischen Techniken tätig und ihre Kollegen berücksichtigen auf unterschiedliche Weise die digitalen Möglichkeiten. „Nach der Fotografie“ erweist sich als raffiniert vertrackter Titel, der das Vergehen von Zeit, den Umgang mit Bildvorlagen und die verschiedenen Verfahren in dieser Ausstellung anspricht.
Los geht es mit Matthias Neumann: Im Mittelpunkt steht seine Werkgruppe „Urbanics“. Aufgenommen sind typische Situationen an belebten großstädtischen Orten, welche sich durch einen permanenten Fluss an Menschen kennzeichnen und die Aura des Nostalgischen in ihrer Gegenwart besitzen. Die Architektur – der eigentliche „Star“ – weicht geradezu zurück, wobei Neumann im engen fotografischen Ausschnitt ihre formale Struktur aus Horizontalen und Vertikalen und mitunter Diagonalen destilliert und ihre wahre Bedeutung im Stadtbild betont. Jedenfalls behaupten sich die teils jahrhundertealten statisch-stabilen Bauten gegen das wuselnde Chaos der Menschen, die immer in Bewegung sind. Neumann variiert dieses Prinzip seiner Werkgruppe, etwa indem die Personen auf einem Schiff fahren oder Passanten auf Bänken vor riesigen Billboards mit Models sitzen.
Gegen die transitorische Fülle in den Fotografien von Neumann wirken die Aufnahmen von Dietmar Wehr karg, leer – ja, wie von einem verlassenen Stern. Wehr zeigt die Strukturen und feinsten Schattierungen natürlicher Gewächse und Rinden aus der Nähe, und zwar so, dass die Dimensionen unklar bleiben und die Texturen haptisch hervortreten. Das trifft auch auf die Knollen zu, die zentriert und isoliert im Bildformat sitzen und mit ihren Wucherungen zu ganz erstaunlichen und rätselhaften Lebewesen werden. Schade nur, dass Wehr dem Geheimnis etwas von seinem Reiz nimmt, indem er in einer Vitrine die Rinden ausgehöhlter Brote als skulpturale Hüllen zeigt.
Zwischen diesen beiden Positionen vermittelt – in der Anordnung im Ausstellungsraum – Sylvie Hauptvogel. Aber vermittelt sie auch? Denn statt Fotografien erarbeitet Sylvie Hauptvogel seit einigen Jahren plastische Interventionen, die sich in den Raum tasten und diesen besonders mit Textilien und Stickereien vorsichtig besetzen und auch wieder auf die Fläche zurückkehren. Im Sparkassenforum zeigt Sylvie Hauptvogel feine Stickereien auf Pergamin sowie Siebdrucke einer Strickliesel auf Kopfkissen, außerdem eine Installation u.a. mit Stickereien in einem Fotoalbum. Die Intensität und Stille dieser Arbeiten hängt mit den emotionalen Kategorien des Geborgenen und des familiär Privaten zusammen. Aber in ihrer hauchzarten Nuancierung lassen ihre Stickereien an die Knollenwesen von Dietmar Wehr denken. Wie Nachbilder – oder verblichene Fotografien – bewahren die räumlich-grafischen Notationen Spuren vom Menschen, von Heimat und vom Heimeligen, das uns als Mitbringsel aus unserer Kindheit ein Leben lang begleitet. Dass sie wie Treibgut im Wasser auf dem Pergamin stehen, deckt sich mit dieser Atmosphäre.
Vielleicht ist das das Spannendste der Ausstellung: Wo Neumann beobachtet, wie in den Metropolen schleichend die Individualität – vielleicht gerade infolge der digitalen Revolutionen – verlorengeht, zeigt Sylvie Hauptvogel, wo sie noch zu finden sein könnte.
„Nach der Fotografie“ | bis 8.5. | Sparkassenforum am Islandufer | zu den üblichen Öffnungszeiten
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