Das Atelier- und Galerie-Kollektiv für intermediale Zusammenarbeit im Neuen Kunstverein – kunst & gut 01/17
Keine Einwände. Die Präsentation im Neuen Kunstverein in der Hofaue belegt den versierten Umgang mit Ausstellungsräumen und in der Zusammenführung künstlerischer Positionen: Eine Domäne des Wuppertaler Atelier- und Galerie-Kollektivs, sozusagen perfektioniert über vier Jahrzehnte. Das Jubiläum wird nun mit dieser Ausstellung gefeiert. Jedem der teilnehmenden Künstler – Mitglieder und Gäste des Kollektivs – steht eine quadratische Grundfläche von 1x1 m für sein Kunstwerk zur Verfügung. Die Arbeiten folgen auf der Mittelachse des langgestreckten Raumes aufeinander und geben so die Laufbewegung vor. Der Ausstellungstitel „Der lange Marsch“ bezieht sich vor allem auf die vierzig Jahre, in denen sich das Kollektiv mit Ausstellungen, Performances, Vorträgen und Konzerten für die Kunst und deren gesellschaftliche Verantwortung engagiert.
Die Ausstellung beginnt mit Eckehard Lowisch, der zwei gelbe Röhren – wie Stiefel – auf (oder in) zwei Platten gesetzt hat: Als lapidarer Start einer von mehreren Beiträgen, die implizit auf die Ausstellungssituation reagieren. So haben Monika Günther und Ruedi Schill, der seit 1983 Performances im Kontext des Kollektivs aufführt, einen Postkartenständer mit den Dokumentarfotos solcher Aktionen aufgestellt. Und Holger Bär, der mit von Maschinen ausgeführten Gemälden bekannt wurde, hat eine bedruckte Leinwand über einen Sockel gelegt und die technischen Apparaturen dazugestellt.
Neuer Kunstverein Wuppertal
Foto: Björn Ueberholz
Neuer
Kunstverein Wuppertal Das Atelier- und Galeriekollektiv wurde 1976
gegründet und ist seither ein Impulsgeber der Kunstvermittlung.
Schwerpunkt ist die Förderung unabhängiger KünstlerInnen. Zur
Ausstellung wird das limitierte Buch „Der lange Marsch“
herausgegeben.
Zu den weiteren Werken gehört eine wunderbare, rot-violett gefasste Holzskulptur von Georg Janthur, die sich pulsierend in die Höhe schraubt und deren Rückseite als rippenartige Struktur freigelegt ist. Christian Ischebeck hat aufgerichtete Malstücke mit einfachem Klebeband zusammengehalten, so dass sie in ihrer vibrierenden Farbigkeit wie die Skyline von Hochhäusern wirken. Und Irene Warnke hat auf einen niedrigen Sockel ein Gemälde mit einem Kreis gelegt, der links und rechts durch das Format begrenzt ist. Der Kreis wird zur Öffnung in die Tiefe. Dort nähern sich eine ausgestreckte Hand und ein Wolf mit aufgerissenem Maul. Zerbrechlich wirken dagegen die beiden linear tastenden, wie ausgeliefert in einem Holzgerüst hängenden Zeichnungen einer Frau von Krzysztof Juretko.
Den Abschluss der Ausstellung bildet eine leicht geöffnete Transportkiste, in der ein Video von Regina Friedrich-Körner, Renate Löbbecke und Nanny de Ruig zu sehen ist. Der Clou ist die Kiste selbst mit den Labels der Ausstellungsinstitute, in denen sie schon ausgepackt wurde: Die Künstlergruppe 6PACK, die 2002 mit den Künstlerinnen und Bodo Berheide, Peter Klassen und Jörg Lange gegründet wurde, hat in der „moving artbox“ ihre Kunstwerke für Ausstellungen in die Partnerstädte von Wuppertal transportiert.
Das Buch, das wie etliches in der hiesigen Kunstszene maßgeblich von Bodo Berheide und Peter Klassen realisiert wurde, listet in seiner Chronologie auf: 1976 fand eine erste Zusammenkunft von fünf Künstlern statt, darunter Bodo Berheide, der vom damaligen Ziel einer Galerie für „intermediale Zusammenarbeit“ spricht: Ab 1978 standen dafür Räumlichkeiten in der Hofaue 21 zur Verfügung. Der Name der Gruppe war „Nordstadt-Galerie-Kollektiv“. Damit war die Möglichkeit für Ausstellungen gegeben, bis 1984. Nächster, fester Ort war 1986-93 die Berliner Straße 39a, unter dem Namen „Atelier- und Galerie-Kollektiv“. Seither agieren die Künstler (neben den eigenen Aktivitäten) an wechselnden Plätzen in Wuppertal, auf Symposien und Reisen als “Kollektiv für intermediale Zusammenarbeit“ und sind nun also zu Gast im Neuen Kunstverein, donnerstags begleitet von Veranstaltungen. Zu verstehen ist das nicht nur als Ausstellungstätigkeit, sondern auch als in-Frage-Stellung gesellschaftlicher und kultureller Prozesse. Also es geht nicht darum, Bilder lediglich an die Wand zu hängen – was jetzt im Kunstverein geradezu demonstrativ nicht der Fall ist.
„Der lange Marsch“ | bis 29.1. | Neuer Kunstverein Wuppertal | 0202 295 40 76
Thomas Hirsch
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