Stimmungsvoll hat die Wuppertaler Künstlergruppe 6PACK den Frühling eingeleitet, mit einer Aktion zu ihrer 1 x 1 x 1 m großen, mit Kunstwerken gefüllten Kunstkiste, die in den nächsten zwölf Monaten an sechs Orte in Europa reist und die dortigen Künstlerkollegen zum bildnerischen Diskurs animiert. Die Aktion fand im Neuen Wuppertaler Kunstverein statt, wo derzeit eine Ausstellung mit Martin Spengler zu sehen ist, welche gerade bis in den April hinein verlängert wurde.
Martin Spenglers Werke haben Gewicht. Seine dunklen Bildreliefs verlangen Abstand und fordern zur Annäherung an; geradezu körperlich kommen sie dem Betrachter entgegen. Sie zeigen Fassaden, Ausschnitte von Gebäuden unterschiedlicher Funktionsweisen und von städtebaulicher Relevanz, teils als prominentes Gebäude zu benennen, sehr plastisch und in komprimierter Darstellung. Grundlegendes Modul sind Raster, die, aus Schichten von Wellpappe entwickelt, zum schier endlosen Ornament werden. Die Werke fokussieren unsere großstädtische Zivilisation; sie decken auf, wie diese strukturiert ist und wie der Einzelne dabei verloren geht.
So wie sich der 1974 geborene Martin Spengler dem urbanen Raum und seiner Textur zuwendet, so interessiert sich der etwas ältere Cornelius Völker für unseren Alltag und unsere Einrichtung in diesem. Derzeit ist eine Werkschau seiner Bilder in der Kunsthalle Barmen zu sehen. Völker, der in Düsseldorf lebt und an der Kunstakademie Münster als Professor unterrichtet, gehört zu den wichtigen gegenständlichen Malern in Deutschland. Seine Malerei ist ausgesprochen sinnlich, aber schon in der Vorbereitung äußerst kalkuliert. Anhand einzelner, sehr genau gewählter Motive, die er in Serien variiert, erkundet er das Potential der Malerei als zeitgenössisches Medium. Er wählt dazu verschiedene Arten des Vortrags mit dem Pinsel und legt Subtexte an, die vielfach Befragungen der Gegenstände sind, die unser Leben umgeben und erst ausmachen. Die gut gehängte Werkschau hält allerhand humorvolle Szenen bereit – sie ist ein kluger Augenschmaus, den man sich nicht entgehen lassen sollte.
Vielleicht ist es doppelt aufschlussreich, mit den Gemälden von Cornelius Völker im Kopf die Ausstellung von Joachim Grommek in der Städtischen Galerie Remscheid zu sehen. Zweifelsohne geht es auch dem 1958 geborenen Grommek um Malerei. Aber ist das überhaupt Malerei, was er uns zeigt, sind das nicht Spanplatten und Klebestreifen, gegeben in minimalistisch anmutenden Bahnen und provisorischen Zuständen – und, wenn es tatsächlich Bilder sind, hat dann Grommek nicht lediglich Hauptwerke der abstrakten Kunst reproduziert? Grommeks Kunst thematisiert die Konkretheit und Stofflichkeit von Malerei und ihre Befähigung zur Erzeugung von Aura, die Suggestion ihrer Einmaligkeit. Dazu „kopiert“ Grommek wichtige Bilder aus der abstrakten Kunst etwa von Mondrian, Fruhtrunk und Ryman; tatsächlich aber evoziert er mit malerischen Mitteln deren Materialität. Der kantige, sichtlich erhabene Streifen ist reiner Farbauftrag und eine Spanplatte ist eben doch gemalt ... Auch Cornelius Völker weist in seiner Malerei immer wieder darauf hin, dass der Gegenstand – etwa ein Meerschweinchen – tatsächlich ein farbiger Pinselgestus ist; Joachim Grommek geht nun dieses Thema von Repräsentation und Präsenz von einer anderen Seite her an, und auch für seine vermeintlich spröde Kunst gilt, sie ist sinnlich bis ins Detail, dabei genau durchdacht und präzise erarbeitet. Die Ausstellung mit Grommek läuft bis April; die Schau, die danach in Remscheid zu sehen ist, sei auch schon empfohlen: Sie zeigt Werke von Stefan Thiel und erneut, nun aber wahrscheinlich ganz anders, von Martin Spengler.
„Martin Spengler – Idealwelle“, bis 15. April im Neuen Kunstverein Wuppertal, www.neuerkunstvereinwuppertal.de
„Cornelius Völker“, bis 27. Mai in der Von der Heydt-Kunsthalle in Barmen, www.von-der-heydt-kunsthalle.de
„Joachim Grommek – Ohne Eichhörnchengrün“, bis 8. April in der Städtischen Galerie Remscheid, www.remscheid.de
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