Die eigentliche Bedeutung der Ausstellungen im Sparkassenforum liegt ja darin, seit vielen Jahren sehr konsequent die Protagonisten der Wuppertaler Kunstszene vorzustellen, und zwar in Zusammenstellungen zu mehreren. Das ist auch jetzt der Fall: Gezeigt werden die Werke von sieben Künstlern, die am Arrenberg ihr Atelier haben. Die Künstler haben schon in der Vergangenheit – koordiniert von Marlies Germaine Batz – zusammen ausgestellt, von einer festen Gruppe lässt sich aber ebenso wenig sprechen wie davon, dass nun alles über die dortige Künstlerszene gesagt wäre. Vielmehr gibt die Ausstellung einen Einblick. Vor allem der Katalog spricht an, inwieweit das urbane Milieu – mit dem Leerstand der Gebäude, der sozialen Mischung der Bevölkerung und der Lage an der Wupper, darüber die Schwebebahn, und den Aktivitäten zur Belebung des Viertels – mit der Kunst verzahnt ist. Ein Merkmal der nun ausgestellten Werke ist, dass sie die Gegend selbst nicht abbilden. Jedoch betonen die Künstler in ihren Katalog-Statements die Verbundenheit mit dem Arrenberg und den Austausch mit den dortigen Kollegen.
Nun, die Ausstellung deckt ein weites Spektrum ab. Sie umfasst Malerei, Zeichnung, Fotografie und Skulptur. Die Beiträge der verschiedenen, unterschiedlichen Generationen angehörenden Künstler lassen immer noch den Blick auf die Werke der Kollegen zu. Spannend ist gleich zu Beginn der Dialog der „Spirale“ (2019) von Jaana Caspary mit den kraftvollen Zeichnungen von Nataly Hahn. Vielleicht gibt die „Spirale“ sogar den Takt vor und versetzt zudem die weißen Kreuze der so subtilen Zeichnungen von Marlies Germaine Batz in Unruhe. Die schwarze, massiv körperliche Spirale stößt fast angriffslustig in den Ausstellungsraum vor. Hingegen schrauben sich die malerischen Bewegungen bei Nataly Hahn in die Bildtiefe. Die Fläche wird zum Raum. Das Schwarz bleibt mit seinen Bruchstücken kurz vor der Verfestigung; zugleich stellt sich die Frage nach der Perspektive.
Neben diesen impulsiven zeichenhaften Darstellungen wirkt die realistische Malerei von Martin Voss wie aus einem anderen Film. In ihrem Humor ist sie durchaus mit Jaana Casparys plastischen Aneignungen und Neuerfindungen der Dingwelt verwandt. Voss spielt virtuos mit dem Milieu des Röhrenden Hirschen. Er implantiert gängige Stadtmöblierungen in die Idylle vorgefundener „Ölschinken“, als gehörten sie einfach dazu. In deren Vergangenheit collagiert, sind sie vielleicht noch Vorboten künftiger Entwicklungen: die Frittenbude vorm Bergmassiv, der Feuerlöscher (!) am Baumstamm mitten im Wald, ein „Wald“ aus Verkehrsschildern auf dem einsamen Gebirgspfad...
Mit derartigen Impressionen im Hinterkopf blickt man genauer auf die Nachtfotografien von Andreas Komotzki. Auch sie sind menschenleer, dabei in einer Natur angesiedelt, die seltsam entrückt ist. Das Licht flutet wie aus einer künstlichen Quelle über einzelne Partien. Weder Bewegung noch Zeit sind hier ein Thema und doch scheint es sich bei diesen kleinen, dadurch ausgesprochen konzentrierten Bildern um Settings für Erzählungen zu handeln – auch das haben sie mit Martin Voss gemeinsam. Olaf Faustmann wiederum lotet in seiner Fotoarbeiten die Grenzen des Dokumentarischen aus. Er schildert Bewegungen bei der fotografischen Erfassungen, überlagert die bildnerischen Ebenen und fährt die Farbigkeit herunter. Seine Bilder kennzeichnet ein Zustand zwischen Erscheinen und Verschwinden, Erinnern und Sehen wie zum ersten Mal. „Richtig“ mit Buntfarbe arbeitet im Sparkassenforum lediglich Susanne Meier zu Eissen-Rau. Ihre Bilder sind in ihrer fetzenartigen Schichtung, den Farbrinnsalen und den sich verdichtenden, dabei umspielenden Partien frei von jeder Gegenständlichkeit, dabei austariert und doch ausgesprochen dynamisch. Und sie sprechen indirekt die Flut visueller Reize im öffentlichen Raum an. – Vielleicht ist dadurch die Auswahl der sieben so verschiedenen Künstler so anregend: Sie korrespondiert mit der Urbanität eines Viertels wie dem Arrenberg: mit allen Konsequenzen und allen Brüchen.
Am Arrenberg. Kunst, Quartier und Künstler | bis 18.5. | Sparkassenforum in der Zentrale am Islandufer | 0202 488 24 24
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