Die Ausstellung mit Sven Drühl in Barmen ist vorbildlich. Die Malerei besitzt Stil, sie ist farbintensiv, der flächige Auftrag wirkt frisch und aktuell. Zu sehen sind, in realistischer Malerei, eingefasst in breite Konturen, Blicke auf natürliche Landschaften und auf Architektur. Mitunter liegt eine Dunkelheit über dem Geschehen, beruhend auf dem internen Schattenwurf oder gerüstartigen Silhouetten im Gegenlicht. Das alles ist souverän vorgetragen, lässt uns staunen und zieht in den Bann: Diese Malerei verheißt eine andere, oftmals „heile“ Welt, sie zelebriert die Idylle und das Erhabene und beruft sich auf Sujets und Phänomene des Romantischen. Sie ist für den Betrachter mit Erinnerungen an die Natur verbunden – wobei allmählich das Karge, Menschenleere, dann „Fleischlose“ der Äste in den Vordergrund tritt und die Natur von einem geschützten Innenraum aus gesehen und ihre ökologische Zerstörung angesprochen ist. Oder geht das zu weit? Sven Drühl arbeitet meist mit Öl und Lack, aber er setzt bisweilen auch die Umrisse der einzelnen Farbfelder mit Silikon oder realisiert Raumbilder ganz aus Kunstlicht, indem er Neonröhren, welche Bäume oder Berge umreißen, auf Glasflächen platziert: Diese Leuchtkästen hüllen den Raum in ein angenehmes Blau, das den Look atmosphärischer Erfahrung trägt.
Sven Drühl, der die Ausstellung selbst konzipiert hat, ist ein Perfektionist, der sein Publikum nie aus den Augen verliert. Ja, es scheint, dass auch das Ausstellen und die diesbezügliche Eignung seiner Bilder Thema seiner Kunst sind und er damit den Konventionen der Kunstbetrachtung und der Akzeptanz im Kunstbetrieb auf der Spur ist. Wie funktioniert Verführung, wie lässt sich über Klischees eine Inhaltlichkeit zurückerobern, warum fühlen wir uns bei manchen Bildern aus der Kunstgeschichte so wohl, und wo könnte deren Aktualität für uns heute liegen? Oder: Wie schön muss Kunst sein, dass wir ihr glauben, und wie klar muss sie sein, um klar zu sein? Und überhaupt: Ist die Malerei als künstlerisches Medium noch aussagekräftig oder längst überholt? … All das sind Überlegungen, die er in seiner Malerei zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit, gelassener Sinnlichkeit und Effekt aufgreift.
Sven Drühl wurde 1968 in Nassau/Lahn geboren, er hat an der Universität Gesamthochschule Essen Mathematik und Kunst studiert; seit 2002 finden Einzelausstellungen mit seinen Werken statt. Längst ist er im Kunstbetrieb etabliert und in einigen Museumssammlungen vertreten. Es macht Sinn, diese Form der konzeptuellen, ja, kritischen Kunst innerhalb des Programmes der Kunsthalle Barmen zu zeigen, das, von Gerhard Finckh als Direktor des Von der Heydt-Museums initiiert und von Beate Eickhoff kuratiert, wichtige Positionen der jüngeren Malerei hierzulande vorstellt.
Sven Drühls Sache ist der schöne Schein, das Fragwürdige und das Auseinanderfallen der tradierten Zeichen, indem er die Illusion der Bilder bis zum Äußersten demonstriert. Als neuzeitlicher Bilderstürmer handelt er mit dem Zitat. Natürlich sind die Vorlagen seiner Bilder unerreichbare Gemälde der Kunstgeschichte oder die Architektur, die er aus ihrem Kontext löst. Die Verrätselung artikuliert sich in den kryptischen Titeln, welche aus den Initialen der in der Malerei zitierten Künstler bestehen und die plakative Deutlichkeit der Darstellung konterkarieren. Andererseits ist da der Sog der Perspektive, der die Betrachter zu Verbündeten werden lässt. Drühl legt in Barmen vor allem im letzten Raum die Karten auf den Tisch, indem er etwa die Idylle rein durch Malerei – schwarz, pastos, toxisch – zerstört, welche sich wie eine brutale Betonwand vor die Reste der Natur legt. Ausgerechnet dieser Raum will sich nicht so recht in die Gesamtkonzeption einfügen, aber mit ihm formuliert die Ausstellung explizit die Tiefe, um die es ihr geht. Auch wieder gut.
„Sven Drühl – Werke 2001-2013“ I bis 26. Januar I Von der Heydt-Kunsthalle, Wuppertal-Barmen I www.von-der-heydt-kunsthalle.de
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