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Werner Scholz, Die beiden Witwen, 1931, Öl auf Pappe, 76,5 x 75 cm, Privatbesitz
© Claudia Grasse

Blick auf den Einzelnen

21. Dezember 2017

Werner Scholz im „Zentrum für verfolgte Künste“ im Kunstmuseum Solingen – kunst & gut 01/18

Wie gut, dass diese drängend intensiven Bilder zu sehen sind! Die Ausstellung zu Werner Scholz rückt einen Künstler ins Rampenlicht, der wohl nie wirklich bekannt war und inzwischen weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Das liegt daran, dass der Großteil des frühen, richtig interessanten Werkes mit dem Atelier im Bombenhagel 1944 in Berlin zerstört wurde. Es liegt aber auch daran, dass Scholz 1939 – mit seiner Kunst von der NS-Regierung angefeindet – nach Alpbach in Tirol übersiedelte, wo er von den Kunstzentren isoliert blieb. Und um die Ismen des Kunstbetriebes, an denen er in der Weimarer Republik mit seinem expressiven Stil partizipiert hatte, kümmerte er sich in seiner Tiroler Malerei nicht mehr.

Werner Scholz (1898-1982) gehört zur zweiten Generation der deutschen Expressionisten. Lothar-Günther Buchheim hat ihn in seine Sammlung aufgenommen. Im dazugehörigen Katalog sind Scholz' Protagonisten in den Bildern der NS-Zeit geschildert als „schmal und verängstigt in einer Welt, die aus Angst und mit der Angst weiterlebte … Traurigsein ist hier manifest geworden, man könnte Verse von Georg Trakl unter diese Bilder setzen, die von merkwürdiger Frömmigkeit sind, einer kritisch-weltbejahenden Frömmigkeit.“ (Erich Pfeiffer-Belli, 1981) Diese Bilder von Scholz zeigen Nonnen, ein Kind zwischen Gräbern, betende Frauen, Trauernde, eine Frau mit Krückstock, eine tote Mutter, Fabrikarbeiter, aber auch Tänzerinnen, überhaupt Passanten der Großstadt Berlin. Sie bringen im Laufe der 1930er Jahre zunehmend Scholz' Misstrauen gegenüber der NS-Diktatur und seine Angst vor einem Krieg zum Ausdruck, gewiss auch vor dem Hintergrund, dass er die Schrecknisse des Ersten Weltkriegs erlebt hatte (wo er als Soldat seinen linken Unterarm verlor). Scholz nimmt das öffentliche Leben mit geschärften Augen wahr. Mit seinen Schilderungen und seiner fortschrittlich expressionistischen Malweise und deren prophetisch düsterer Gestimmtheit wurde Scholz von den Nationalsozialisten ab 1933 diffamiert und 1937 mit einem Ausstellungsverbot belegt; zwei seiner Bilder wurden als „entartet“ aus den Museen entfernt.

Jessewitsch/Metzelder
Foto: Zentrum für verfolgte Künste
Der Kurator
Dr. Rolf Jessewitsch (r.) ist seit 2015 Direktor des Zentrums für verfolgte Künste, zu dessen Gründung er maßgeblich beigetragen hat. Dr. Klaus Metzelder (l.), ein Freund des Künstlers, half bei der Umsetzung der Ausstellung


Das, was die Solinger Ausstellung an diesen Bildern – Gemälde, Pastelle und Druckgraphiken – zeigt, ist eindrucksvoll. Scholz wendet sich den Vereinsamten zu und zeigt sie alleine im dunklen Bildraum, in Form gesetzt durch ein Liniengerüst, welches auf der Fläche verspannt und zusammengedrückt ist. So wird schon der Kopf zu einem verschobenen Viereck, und zu Recht verweist Rolf Jessewitsch im Solinger Katalog auf den Kubofuturismus. Diese Darstellungsweise bringt eine Dramatik und Fragilität in das Geschehen, die im Übrigen durch das oft erdige Kolorit gesteigert wird. Helligkeit ist als gleißendes Weiß visualisiert, entsprechend scheinen die Figuren mitunter als dunkle hermetische Masse auf.

Direkte Vorbilder sind für Scholz die Künstler der „Brücke“ und, vor allem, Max Beckmann sowie in der Farbgestaltung Emil Nolde. Auch die Figuren, Häuser und Bäume, die Werner Scholz ebenso später in Tirol malt, sind gedrängt, dabei aufs äußerste reduziert. Knappe Striche reichen als Fensteröffnungen, die Äste der Bäume entstehen in negativer Malerei, indem der Himmel um sie herum gelegt ist; umso mehr wirkt die Malerei grob, provisorisch. In solchen Bildern erreicht Werner Scholz erneut die Intensität seiner Malerei der 1930er Jahre. Leider wird das Nachkriegswerk nur exemplarisch vorgestellt. Scholz, der sich nach dem Krieg nacheinander den Darstellungen der Bibel, der griechischen Mythologie und 1954/55, als Auftragsarbeit von Krupp, den Stahlwerken zugewandt hat, löst nun ansatzweise den Farbauftrag von den Umrissen und abstrahiert dadurch das Geschehen weiter, ohne aber ins Ungegenständliche vorzudringen. Mehr und mehr widmet er sich dem reinen Sehen seiner landschaftlichen Umgebung mit den kleinen Ortschaften in den Bergen, die noch durch die Vogelperspektive verzerrt sind und wie scheppe Kartenhäuser im Bildformat hängen: Die atemberaubende lineare Skizzierung der Dinge und Figuren hat Werner Scholz bis ins Spätwerk beibehalten.

Wider den schönen Schein der Welt –  Der Expressionist Werner Scholz | bis 4.2. | Zentrum für verfolgte Künste im Kunstmuseum Solingen | www.verfolgte-kuenste.de

THOMAS HIRSCH

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