Meist ist es die hohe Anzahl der Superlative, die verraten, dass ein Produkt nicht hält, was es verspricht. Das könnte sich bei der Giant-Exibition China 8 ebenso verhalten. Was geht da vor: In acht Städten, in neun Museen, was zeigen 120 Künstler mit 500 Werken? Solch ein umfassendes Ausstellungsprojekt chinesischer Gegenwartskunst hat es wohl noch nie gegeben. Nicht einmal im Reich der Mitte. Warum eigentlich nicht? Weil die Staatsführung nicht zeigen will, dass auch hier die Positionen westlicher Kunstmarktstandards die Basis der international renommierten Künstler bilden? Jedes Museum im Ruhrgebiet verteidigt dabei zu Recht seine Schwerpunkte. Fotografie im Folkwang Essen, Skulpturen im Duisburger Lehmbruck-Museum, die kleineren Häuser zeigen Installation und Objektkunst oder Tuschemalerei und Kalligrafie. Was da wirklich spannender ist, kann nur ein Besuch beweisen. Superlativ war bei der Eröffnung jedenfalls alles: „Wir präsentieren im MKM die wichtigsten etablierten Maler Chinas“, für Walter Smerling, Sprecher des Kuratoren und Hausherr im Duisburger Privatmuseum Küppersmühle, ist klar, es geht um nicht mehr und nicht weniger, etabliert heißt in diesem Zusammenhang auch wieder nur internationaler Kunstmarkt. Denn: „Kunst und Kultur haben eigenen Stellenwert und sollten sich keinen anderen Interessen unterordnen“. Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel bläst als Schirmherr von China 8 bei der Eröffnung ins gleiche goldene Füllhorn, Kunst sei eben eine Weltsprache; dass Krieg und Waffenhandel das auch ist, geschenkt.
Kunst von Dissidenten ist in NRW natürlich nicht zu sehen. Weder Vorzeige-Outsider Ai Weiwei, immerhin selbst ein Schwergewicht der internationalen Kunstszene, noch Zhang Jianqiang oder andere, die sich einst beim Aufstand am Platz des Himmlischen Friedens für ein bisschen Demokratie einsetzten. Dass auch das kein Kriterium der Kritik sein kann: Ai Weiwei hat selbst abgelehnt teilzunehmen, das chinesische Kultusministerium hatte nichts dagegen. Es bleibt also alles beim Alten, oder wie es einst der Exilchinese Hou Hanru, Kunsthistoriker am San Francisco Art Institute großartig formulierte: Auch regimekritische Propaganda sei vor allem – Propaganda.
Die Kunstausstellung an Rhein und Ruhr zeigt jedoch neben den etablierten Künstlern auch in großer Breite – und allein das macht die 120 Künstler mit ihren 500 Werken selbstverständlich sehenswert – die Werke junger, zum Teil noch unbekannter Künstler. Insbesondere im Bereich Videoinstallation – „Die angehaltene Zeit“, zu sehen im Glaskasten Marl – und bei den „Paradigmen der Kunst“ (Installation und Objekte) im alten Osthaus-Museum in Hagen dürften viele eigenständige, innovative Positionen zu entdecken sein. Und klar, Fang Lijun oderZhang Xiaogang bleiben auch nach ihrem Aufstieg zur Staatskunst immer eine Reise wert, die chinesischen Kunstwerke selbst interessieren sich nämlich nicht für Menschenrechtsverletzungen, Korruption oder Umweltzerstörung.
China 8 | bis 13.9. | neun Museen an Rhein und Ruhr | china8.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Schöne neue gestaltete Welt
„Das Bauhaus – Alles ist Design“ in der Bundeskunsthalle – Kunstwandel 06/16
Ein Leben zwischen Kunst und Alkohol
Die Kölner Liste 2016, schöner und größer – Kunstwandel 05/16
Der beliebteste Fremdköper
„TeleGen – Kunst und Fernsehen“ in Bonner Kunstmuseum – Kunstwandel 11/15
Ewig rauscht nur die Volme
Urban Lights Ruhr will neuen Impuls für Hagen – Kunstwandel 10/15
„Ein lebendiger Ort“
Kuratorin Isabelle Meiffert über „Shared Spaces“ in der Kunsthalle Barmen – Sammlung 11/24
Schnittige Raumkonzepte
Lucio Fontana im Von der Heydt-Museum – kunst & gut 11/24
„Entscheidend ist, überzeugend in seiner Arbeit zu sein“
Die Wuppertaler Bildhauerin Beate Schroedl-Baurmeister ist auf der 60. Kunstbiennale in Venedig vertreten – Interview 11/24
Der Kombinator
Eduardo Paolozzi im Skulpturenpark Waldfrieden – kunst & gut 10/24
„Es geht bei ihm ja immer um Löcher und Schnitte“
Direktor Roland Mönig über „Lucio Fontana: Erwartung“ im Von der Heydt-Museum – Sammlung 10/24
Pinselschwung aus Plexiglas
Berta Fischer im Skulpturenpark Waldfrieden – kunst & gut 09/24
Freie Form
„Jean Fautrier – Genie und Rebell“ im Emil Schumacher Museum Hagen – kunst & gut 08/24
„Auch die Sammler beeinflussen den Künstler“
Kurator Markus Heinzelmann über die Ausstellung zu Gerhard Richter in Düsseldorf – Sammlung 08/24
Stofftier und Poltergeist
Mike Kelley im Düsseldorfer K21 – kunst & gut 07/24
„Der haarlose Körper wird als ein Ideal stilisiert“
Kuratorin Ellen Haak über „Hairytales“ im Düsseldorfer Museum Kunstpalast – Sammlung 07/24
Nicht nichts
100 Jahre Abstraktion im Wuppertaler Von der Heydt-Museum – kunst & gut 06/24
„Keine klassischen Porträtfotografien“
Kuratorin Kerrin Postert über „UK Women“ in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen – Sammlung 06/24
Mit fremden Federn
Lothar Baumgarten im Von der Heydt-Museum – kunst & gut 05/24
„Der Begriff ,Heimat‘ ist vieldeutig“
Direktor Fritz Emslander über „Es gibt kein Wort …“ im Museum Morsbroich – Sammlung 05/24
„Das kann einem einen kalten Schauer bringen“
Direktor Tayfun Belgin über die Gottfried Helnwein-Ausstellung im Osthaus Museum Hagen – Sammlung 04/24
Bodenständig dynamisch
Anthony Caro im Skulpturenpark Waldfrieden – kunst & gut 04/24
Vom Kleinsten und Größten
„Size matters“ im Kunstpalast Düsseldorf – kunst & gut 03/24
„Er hat sehr feinsinnige Arbeiten erschaffen“
Kunsthistorikerin Anna Storm über die Ausstellung zu Lothar Baumgarten im VdH-Museum – Interview 03/24
Unter unseren Füßen
Archäologie der Moderne im Ruhr Museum – kunst & gut 02/24
„Die Berührung impliziert eine Verbindung zum Objekt“
Generaldirektor Felix Krämer kuratiert „Tony Cragg: Please Touch!“ im Kunstpalast Düsseldorf – Interview 02/24
Unergründliche Dingwelt
Erinna König im Wuppertaler Von der Heydt-Museum – kunst & gut 01/24