Gerhard Finckh, der Direktor des Von der Heydt-Museums brachte es auf den Punkt: Die realistischen Malereien und Zeichnungen von Sabine Moritz sind der „Versuch sich zu erinnern in geformten Bildern und allgemeingültigen Formen“. In der Kunsthalle in Barmen zeigt Sabine Moritz etwa vierzig Bilder aus der Zeit von 1991 bis heute. Werke, die eigene und kollektive Beobachtungen kritischer Situationen aus der Zeitgeschichte zum Ausdruck bringen, Betroffenheit und Anspannung formulieren und dafür atmosphärisch dichte Schilderungen wählen. Dies gelingt Sabine Moritz mit dem Medium der Malerei.
Sabine Moritz wurde 1969 in Quedlinburg in der damaligen DDR geboren, sie ist in Jena aufgewachsen und 1985 mit der Familie in den Westen ausgereist. Hier hat sie ein Kunststudium in Offenbach begonnen und dieses an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Gerhard Richter abgeschlossen. Seit 1994 lebt sie in Köln, von wo aus sie in den letzten Jahren mit ihrer Kunst vermehrt in Erscheinung getreten ist.
Die Ausstellung in Barmen liefert nun den bislang umfassendsten Überblick. Sie setzt ein mit den frühen, kleinformatig-lapidaren Zeichnungen, mit denen sie ihre eigene Kindheit vergegenwärtigt. Zunächst rein aus dem Gedächtnis, dann auf der Grundlage eigener Fotos – die sie bei einer Reise nach der Wende aufgenommen hat – zeichnet sie alltägliche Motive ihrer Vergangenheit: Die Wohnung, den Garten, mitunter auch die Gerätschaften aus dem Labor ihres Vaters, der Chemiker war. In der Malerei, die sich an die Zeichnungen anschließt, geht Sabine Moritz hingegen auf räumlichen Abstand. Sie nimmt eine überschauende Perspektive ein, selbst wenn sie einzelne Blumen in einer Vase malt. Diese recken sich fragil und fetzenhaft inmitten des Malgrundes in die Höhe; in späteren Bildern gehen sie dann ganz in der Malerei auf – die Blumen gehören zu den Sujets, auf die Sabine Moritz über die Jahre hinweg zurückkommt.
Vielleicht am eindrucksvollsten in der Ausstellung sind die Darstellungen von Hubschraubern und von Schiffen in einer eisigen See; auch gibt es Bilder, bei denen die militärisch verstandenen Motive zusammen vorkommen. Die gedeckten dunkelgrünen und grauen Töne, das Aufgerissene der Malfläche, die sich vor die Gegenstände schiebt, die Ferne der Darstellung, auf die wir wie mit dem Fernglas aus gesichertem Abstand sehen, und sowieso die Motive selbst, die in Verbindung mit Stacheldraht oder Brachland auftreten: All das wirkt bedrohlich und signalisiert Gefährdung. Es weist auf die Möglichkeit von Krieg hin und bewahrt sich doch eine relative Offenheit.
Vielleicht allzu direkt sind demgegenüber die neuen Bilder, die Soldaten oder die Bevölkerung in der Landschaft zeigen. Die Soldaten tragen Stahlhelme, Waffen sind zu sehen oder Menschen liegen auf dem Boden. So steht in dem Gemälde „Das Kopftuch“ (2010) ein Soldat hinter einer Frau mit einem Kopftuch, beide sind einem Tal mit Häusern zugewandt. Der Soldat legt die linke Hand auf die Schulter der Frau, die Rechte hält eine Pistole. Jedes dieser Bilder geht auf eine konkrete Geschichte zurück, der Ausstellungskatalog teilt einiges dazu mit. Aber auch ohne das ahnen wir das Entsetzliche. Die Stille und die Schönheit der Malerei stehen in einem beunruhigenden Verhältnis zum Grauen und dem Pulsieren der Bildfläche. Die Motive selbst sind in die Farbe verwoben, der Hintergrund bleibt unscharf, der Vordergrund ist – fast impressionistisch – von dichten Strichfolgen durchzogen und im Vordergrund führen einzelne Tropfspuren das Geschehen ganz auf das malerische Bild zurück. In der Kunsthalle am Geschwister Scholl Platz in Barmen macht die Ausstellung erst recht Sinn. Das Konzept ist, dort verschiedene jüngere Positionen der Malerei umfassend vorzustellen. Dazu liefert nun Sabine Moritz einen wichtigen Beitrag.
„Sabine Moritz“ | bis 29.6. | Von der Heydt-Kunsthalle, Barmen | 0202 563 65 71
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