Der Galerist
Rolf Hengesbach (*1957) studierte Philosophie, Germanistik und Geschichte und lehrte an der Bergischen Universität. 1991 gründete er die Galerie, beteiligt sich an internationalen Kunstmessen und schreibt über zeitgenössische Kunst.Schon die Motive! In seiner aktuellen Ausstellung in der Galerie Hengesbach zeigt Markus Willeke Regenbögen, Fingermalereien auf beschlagenen Glasscheiben, zersplitterte Scheiben, Maisfelder und die Verpackungen von Schokoriegeln. So wie die Malweise die Verfasstheit und Konsistenz des jeweiligen Sujets anspricht, so sind die Formate diesen verwandt. Das geht so weit, dass die Leinwand des Regenbogens einen Halbkreis umfasst. Auf der unteren Horizontalen aufsitzend, umfangen sich einzelne unterschiedlich farbige Ringe. Die Farbnasen fließen fast psychedelisch ineinander, wirken beiläufig und im Wechsel begriffen und halten, aus der Nähe betrachtet, visuelle Sensationen bereit: lesbar vielleicht als grüne Gipfel einer Bewaldung oder als lodernde Flammen … Wieder drei Schritte zurück: Tatsächlich handelt es sich nicht um die Brechung der Spektralfarben in Wassertropfen am Firmament, sondern um die Öllache im Asphalt zu unseren Füßen.
Von einer generellen Ökonomie der Mittel in der Malerei von Markus Willeke spricht Rolf Hengesbach: in der Konzentration auf ein Motiv, welches sogar ausschließlich gegeben ist, und indem der Farbauftrag die Malmittel – die Ölfarbe, zumal im „Wässrigen“ – reflektiert. Dazu gehört, sich der Tradition zu vergewissern. Markus Willeke verweist im Gespräch auf die US-amerikanische Hard Edge Malerei mit ihren Shaped Canvases. Er übersetzt dieses Konzept in die Gegenwart, hier nun auf der Kippe zwischen gegenständlicher und gegenstandsfreier Malerei. In der Ausstellung nun tragen die Motive etwas Luxuriöses: Es gibt sie nur für kurze Zeit: die beschlagenen Fensterscheiben, das gesplitterte Glas, das gerade aufgepackte, gleich weggeschmissene Papier mit dem Produktlogo. „Er malt nicht ab, sondern nach“, hat Nils Plath zu Willekes Malerei geschrieben und an anderer Stelle ergänzt: „Kleine Monumente des Vergänglichen lassen das „Gedächtnis einer Gesellschaft“ entstehen.“ (Kat. Marburg, Rügen 2008)
Willeke, der heute in Berlin lebt, wurde 1971 in Recklinghausen geboren. Er hat an der Kunstakademie Münster studiert, im Wesentlichen bei Mechthild Frisch – was vielleicht überrascht, weil Frisch selbst keine „klassische“ Malerei betreibt. Aber ihre perforierten Malstücke handeln von der Wahrnehmung unter wechselnden Temperierungen des Lichts und von flüchtigen, schnell übersehenen Ereignissen auf und mit einer Oberfläche.
Der Galerist
Rolf Hengesbach (*1957) studierte Philosophie, Germanistik und Geschichte und lehrte an der Bergischen Universität. 1991 gründete er die Galerie, beteiligt sich an internationalen Kunstmessen und schreibt über zeitgenössische Kunst.
Willeke nun wendet sich bevorzugt der (malerischen) Oberfläche zu: in Bezug auf den Glanz und das Flüssige (Kacheln im Schwimmbad), das „Dahinter“ (Türen) oder einen neuen Kontext (Tattoos auf der Haut). Oberfläche ist auch das, was man nicht sieht: bei den Glasscheiben. Um das Unsichtbare – paradoxerweise – sichtbar zu machen, bedarf es der Widerhaken, der Fingermalerei oder der reflektierenden scharfen Splitter oder des Ausschnitts einer düsteren Hausfassade auf der anderen Seite, draußen. Ein Maisfeld baut sich als Wand und zugleich Sog in der Tiefe vorm Betrachter auf und weckt die Erwartung, darin zu verschwinden, und die (filmische) Erinnerung, dort auf jemanden zu stoßen (und tatsächlich hat Willeke vor einigen Jahren eine Vogelscheuche gemalt). Das Blühen kippt um ins Verblühen, so wie der Regenbogen, der zunächst an einen Sonnenaufgang denken lässt, in der Pfütze endet. Der Totenschädel wiederum – das ernste Symbol für die Vergänglichkeit des Lebens – verfließt wie ein Speiseeis im Sommer. Alles auf diesen Bildern ist uns plötzlich fremd. Die „Einfachheit“, das mehr oder weniger Lapidare des Gegenstandes, die vermeintlich flotte Malerei, die tatsächlich schnell geht, aber über Monate vorbereitet ist, trügt: Markus Willeke malt Bilder, die man zweimal, dreimal sehen sollte und die dann erst recht vielsagend und geheimnisvoll werden.
„Markus Willeke – Rainbow Crash Bloom“ | bis 23.10. | Hengesbach Gallery | www.hengesbach-gallery.com
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