Im Atelier auf dem Liesegang-Gelände in Düsseldorf-Bilk. An der Stirnwand hängen drei großformatige Bilder. Schon von der Seite, beim Eintreten, wirken sie aufregend, lebhaft und sinnlich, von einzelnen Farbtönen bestimmt, die sich körperhaft, in breiter Bahn schwungvoll über die Bildfläche ziehen. Die Leinwand schaut, farblos grundiert, an den Seiten heraus. Angedeutet sind Ornament und Rhythmus; Positiv und Negativ verhalten sich gleichwertig zueinander: Die Bilder von Nikola Ukić sind eine intelligente Malerei zum Thema Malerei. Aber – ist dies überhaupt Malerei? Die Leinwand liegt tatsächlich etwas tiefer, die Farben sind gar nicht mit dem Pinsel gesetzt, sondern scheinen die gesamte Form zu durchdringen, welche wie gegossen wirkt, zumal ihre Kanten die gleiche Farbigkeit besitzen. – Und schauen auf unterschiedlichen Ebenen nicht auch Fotografien durch, sind nicht Splitter von Formen gedruckt, über denen die Farbe mäandert?
Nicola Ukić nickt: „Es ist von allem etwas“. Die technischen Verfahren seiner Werke sind kompliziert und lassen noch das Experiment zu. Erst allmählich erschließt sich, auf wie vielen räumlichen Ebenen und mit welchen unterschiedlichen Maßnahmen sie stattfinden. Ukić hat seine Verfahren über Jahre entwickelt, schon während des Studiums an der Kunstakademie Düsseldorf hat er an einer komplexen Durchdringung von plastischer Materie und Malerei gearbeitet. Zunächst hat er volumenhafte Plastiken geschaffen, die, in Schwarz und in Weiß, als Kugelformen vom Boden aufwachsen, dabei umlaufen werden müssen und im Zueinander von gespannter Haut und tropfenden Fäden von jeder Stelle aus anders ausschauen. „Finden sich dort marmorne, steinig schimmernde Oberflächen, die sich spitz zulaufend verdünnen, greift an anderer Stelle vorsichtig, zerbrechlich, fast papieren die Form in den Raum“, hat Ulrike Schick dazu geschrieben. „Immer wieder neu definieren sich Hülle oder Inhalt, Körper, Farbe, Lineatur oder Form, Gewicht oder Leichtigkeit.“ (Kat. Otterndorf 2008) Das Volumen entsteht durch das Gießen und Härten von Polyurethan, in das Ukić Farbpigmente gemischt hat. Damit realisiert er auch aufragende Skulpturen, die teils überlebensgroß, teils Sockelstücke sind. In diese hat er eigene Fotografien integriert, indem er sie auf die Trägerflächen der Skulpturen geprintet hat. Handelte es sich bei den Fotografien zunächst um Ansichten organischer Skulptur der Mitte des 20. Jahrhunderts, so fotografiert Ukić heute abstrakt geometrische Verläufe oder Muster.
Nikola Ukić wurde 1974 im kroatischen Rijeka geboren. Er hat zunächst dort und an der Akademie in Zagreb Kunst studiert – ein mehr allgemeines Studium, klassisch ausgerichtet im Erlernen der verschiedenen handwerklichen Techniken – ehe er 2000 an die Düsseldorfer Kunstakademie gewechselt ist, in die Bildhauer-Klasse von Georg Herold. Er wurde mit Stipendien in der Cité Internationale in Paris und auf Schloss Ringenberg gefördert und hat 2012 einen Preis auf der Triennale für Skulptur in Zagreb erhalten. Nachdem er 2008 im Museum gegenstandsfreier Kunst Otterndorf seine erste institutionelle Einzelausstellung hatte, waren seine Werke 2013 in seiner Heimat, in den Museen in Split und Zagreb zu sehen. Bei Rolf Hengesbach stellt er seit 2008 aus. Die Bilder entstehen erst seit vergangenem Jahr, zunächst waren sie kleinformatig. In der Größe von 180 cm sind sie ganz neu und werden jetzt erstmals zu sehen sein. Und schauen wir sie uns von Nahem an, dann sind sie gar nicht so weit von den Skulpturen entfernt. Die Oberfläche wechselt zwischen Glätte und poröser Brüchigkeit, die Scheiben sind übereinander gestapelt, und auf der Kante erhebt sich ein weißer Flaum. Es gibt viel zu sehen auf und in diesen Werken.
„Nikola Ukić – Expanded Fields“ | bis 18.7. | Hengesbach Gallery | 75 35 32
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