Manche der Bilder tragen die Spuren gewaltiger Schlachten. Sie erinnern, gesehen wie aus der Vogelperspektive, an die Einschläge von Meteoriten oder an Erdverschiebungen. Gestein driftet in glatten Schnitten auseinander. Die changierende Monochromie aus lichten Grün- oder Blautönen lässt hingegen an den Raureif im Unterholz oder Lichtspiegelungen der ruhigen See denken. In einem anderen Reliefbild, in dem Keile als Raster in verschiedene Richtungen angeordnet sind, wirken die Kippungen wie die Konstruktion einer Stadt. Oder doch die Facettenaugen von Insekten, monumental vergrößert … Jan Albers nickt im Atelier in Düsseldorf. So sehr er vom Leben in der Großstadt geprägt ist, so wichtig ist ihm doch die Erfahrung der Natur.
Der Farbauftrag wirkt häufig immateriell und verweht, was daran liegt, dass Albers die Farbe sprayt und mittels tonaler Verschiebungen und eines mehrschichtigen Auftrags Effekte von Licht und Schatten erzeugt. Andere Bilder tragen die Farbe als pudriges Pigment. Bei einem Bild aus Keilen, welche mit Graphit überzogen sind, hat Albers das Schwarz so mit dem Pinsel aufgetragen, dass die unterschiedliche Anlage der Schrägen betont ist. Immer aber lösen die meist lebensgroßen Bilder, die mit der Bewegung des Betrachters „funktionieren“ und gegenstandsfrei, ja, teils konstruktiv zu rubrizieren sind, Anklänge an Seherfahrungen aus.
Jan Albers wurde 1971 in Wuppertal geboren und ist in Namibia aufgewachsen, er hat an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Jan Dibbets studiert. Dibbets handelt seit den 1970er Jahren konzeptuell mit der Natur und mit Phänomenen des Sehens in Fotosequenzen und Fotocollagen. Dagegen plädierte etwa die Generation der „Jungen Wilden“ für die Sinnlichkeit und Spontaneität im Umgang mit Farbe und (autobiografischem) Motiv. Ein jüngerer Künstler wie Jan Albers demonstriert hingegen, aus der heutigen Perspektive, die Mittel und Bestandteile der Malerei als Auftrag auf Strukturen. Er befragt die Macht des Faktischen in Zeiten des Virtuellen.
Albers provoziert in seinen Bildern die Gleichzeitigkeit von Präsenz und Absenz, scheinbarer Monotonie und offensichtlichem Ereignis. Eine wichtige Rolle kommt dem „Körperlichen“ des Bildträgers zu. Gegeben ist ein raffiniertes Wechselspiel von Anlockung und dem Halten auf Abstand: Die Objektbilder sind durch Plexiglashauben geschützt, so dass sie von der Seite – wie im Schnitt durch Gesteinsschichten – zu sehen sind. Sie forcieren das Vorbeilaufen und beziehen den Ausstellungsraum ein. In der Kunsthalle Barmen steigert Albers das, indem er einzelne Wandflächen monochrom gestrichen hat und die Räume durch Einbauten verengt und an anderer Stelle im Abstand der Hängung öffnet und zusätzlich mit Weite „auflädt“. Der Eindruck des „Schönen“ weicht in den Bildern zunehmend dem Eindruck prozessualer Deformation. Die große Ordnung in den Bildern ist mit dem Eindruck von Chaos verbunden, die kontemplative Sammlung schlägt in brodelnde, kaum zu fassende Unruhe um. Schließlich äußert sich in der Bildentstehung körperliche Energie, vollzogen etwa mit der Kettensäge, die in die Styrodurblöcke schneidet und diesen mit ihrer grünspanigen Farbigkeit und den vegetativ anmutenden Versehrungen die Anmutungen von Korallenreliefs verleiht. Die Reliefs, für die Karosserieteile mit Maschinenkraft gepresst und mit monochromer Farbe überzogen sind, betonen hingegen das Konstruktive technischer Vorgänge … In der Kunsthalle Barmen zeigt Jan Albers jetzt Arbeiten der letzten drei, vier Jahre, aber doch ist das Spektrum an Bildfindungen und Themen enorm: Jedes Bild erzählt seine eigene Geschichte.
„Jan Albers – cOlOny cOlOr“ | bis 28.6. | Von der Heydt-Kunsthalle in Wuppertal-Barmen | 0202 563 65 71
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